
Die Freilernerzeitschrift gibt es schon seit über 20 Jahren. Sie ist als Plattform für Familien, Initiativen und Vereine, die sich mit selbstbestimmten und selbstorganisierten Bildungsformen beschäftigen, entstanden. Es sind viele Familien dabei, die die Schulpflicht verweigern oder im Ausland schulfrei leben, sowie auch freie aktive und demokratische Schulen und junge Erwachsene, die sich alternative Bildungsprojekte organisieren. Wir bieten Raum für eine breite Vielfalt und stehen für Pluralität, Offenheit und Toleranz, doch wir stellen uns deutlich gegen jegliche diskriminierende, gewaltverherrlichende und nationalistische Ansätze und Ideologien.
Die Zeitschrift erscheint vier Mal im Jahr als gedruckte Ausgabe und ist auch digital als PDF erhältlich. Wer unsere Arbeit unterstützen möchte, kann dies mit einem Förderabonnement tun. Auch gibt es die Möglichkeit, in der Zeitschrift Kleinanzeigen und Werbeanzeigen zu schalten.
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Artikel lesen:

Determinismus und Freiheit
Ein bewusst subjektiv gehaltener Diskussionsbeitrag als Erwiderung zu Karl Dieters Aufsatz »Wider die Natur!« in der Freilerner-Zeitung Ausgabe 77.
Text und Fotos: Stefanie Weisgerber
»Denn die da fleischlich sind, die sind fleischlich gesinnt; die aber geistlich sind, die sind geistlich gesinnt. Aber fleischlich gesinnt sein ist der Tod, und geistlich gesinnt sein ist Leben und Friede. Denn fleischlich gesinnt sein ist wie eine Feindschaft wider Gott, sintemal das Fleisch dem Gesetz Gottes nicht untertan ist; denn es vermag’s auch nicht. Die aber fleischlich sind, können Gott nicht gefallen.«
(Römerbrief: Kapitel 8, Vers 5–8)»Wisst ihr nicht, dass Freundschaft mit der Welt Feindschaft mit Gott ist? Wer der Welt Freund sein will, der wird Gottes Feind sein.«
(Jakobus: Kapitel 4, Vers 4)
Gibt es einen freien Willen? Oder unterliegt alles, was wir Menschen denken, fühlen und wie wir handeln einem Determinismus? Darüber debattieren Philosophen und Naturwissenschaftler im Prinzip schon seit Jahrtausenden ohne Einigkeit zu erlangen. Wen das näher interessiert, der kann sich gern mit den Theorien Kants beschäftigen oder mit Descartes oder mit Platon oder Aristoteles oder Einstein oder, oder, oder … Genug geschwafelt! Da diese Fragestellung auf der intellektuellen Ebene scheinbar unmöglich zu lösen ist – geschweige denn auf der Ebene von Wortklaubereien, schreibe ich hier und heute lediglich von meinen ganz persönlichen Gefühlen und Gedanken. Naja. Zum Großteil zumindest. Ich werde mir natürlich nicht nehmen lassen, auch ein paar Erkenntnisse aus der Hirnforschung der letzten Jahrzehnte zu erwähnen, wo sie meine Gefühle doch so stark mit Fakten untermauert und auch den Philosophen immer stärkere Zugeständnisse abringt. Aber dazu später mehr. Hier jetzt erst mal klipp und klar, was ich ganz persönlich darüber denke: Weiterlesen

Interview mit Gertrud Eichinger (SPD)
Gertrud Eichinger (SPD) wurde von Thomas Ziehl für die Freilernerzeitschrift interviewt.
Interview: Thomas Ziehl
Thomas Ziehl: In den Grundlagen des BayEUG werden als oberste Bildungs- und Erziehungsziele unter anderem die Ehrfurcht vor Gott und die Liebe zur bayerischen Heimat und zum deutschen Volk genannt. Ist das in Ihren Augen noch zeitgemäß oder bedarf es einer grundlegenden Reform?
Gertrud Eichinger: Die Formulierungen wirken heute sicherlich antiquiert. Es gilt ja die Religionsfreiheit, so dass Liebe zu Gott wohl eher als Spiritualität zu verstehen ist. Die Liebe zur Heimat kommt automatisch, und ist meines Erachtens etwas, das eher durch das Elternhaus und die Identifikation mit dem Umfeld vermittelt wird, nicht so sehr durch die Schule.
Thomas Ziehl: Die Grundrechte von jungen Menschen werden durch die rigide Schulpflicht massiv beschnitten. Beispielsweise müssen nun zahlreiche Schülerinnen und Schüler mit disziplinarischen Maßnahmen rechnen, da sie sich an dem Bildungsstreik mit dem Motto »Bildung statt Abschiebung« beteiligt haben. Ist das gerechtfertigt?
Gertrud Eichinger: Die Teilnahme junger Menschen an solchen Veranstaltungen kann viel zum Erlernen demokratischer Prozesse beitragen. Repressalien auf Grund der Schulpflicht sind hier fehl am Platz. Die Schulpflicht ist und bleibt aber wertvoll, da sie das Recht der Kinder auf Bildung sichert. Weiterlesen

Wahlprüfsteine zur Landtagswahl in Bayern
Anlässlich der Landtagswahl in Bayern am 14. Oktober 2018 haben wir den größeren Parteien bildungspolitische Wahlprüfsteine geschickt. Wir freuen uns, dass alle angeschriebenen Parteien geantwortet haben und für einen Dialog grundsätzlich offen sind.
Fragen und Anschreiben: Immanuel Zirkler
Frage 1: Laut Recherchen des Vice Magazin waren 2017 in Bayern 336 junge Menschen wegen ihrer Schulverweigerung im Jugendarrest. Schulverweigernde junge Menschen werden in Bayern auch immer wieder mit der Polizei von zu Hause abgeholt und der Schule zugeführt. Bundesweit in den Schlagzeilen waren die Polizeikontrollen an Flughäfen, mit denen Familien abgeschreckt werden sollten, die schon vor Beginn der Schulferien in den Urlaub starteten.
Wie weit werden die Repressionen zur Durchsetzung der Schulpflicht in Ihrer Partei diskutiert? Und welchen Umgang mit schulverweigernden jungen Menschen hält Ihre Partei für sinnvoll?

Freilernen auf der Schwäbischen Alb
Text: Christiane Ludwig-Wolf
Streit zwischen Brüdern, Uneinigkeit mit mir als Mutter, ob und wie lange am Computer Spiele gespielt und Videos angeschaut werden dürfen und Unwilligkeit, übernommene Arbeiten im Haushalt zu erledigen, Sachen die nicht aufgeräumt werden. Ich denke, viele unserer Herausforderungen sind die gleichen, wie sie auch andere Familien haben, in denen die Kinder zur Schule gehen. Und auch meine Herausforderungen mit mir, meine Ungeduld, mein Ärger, meine Konfrontation mit meinen eigenen Grenzen, haben nichts mit Schule oder nicht Schule zu tun.
Vielleicht ist es manchmal bequemer, wenn die Kinder regelmäßig vormittags weg sind, klar ist, was wann dran ist und vorgegeben, was zu tun ist. Tauschen möchte ich nicht damit, weder mit dem regelmäßigen Programm, das Schule bietet, noch mit dem Angebundensein an bestimmte Zeiten, erst recht nicht dem Leistungsdruck und sozialen Druck, dem Schulkinder ausgesetzt sind.
Wir genießen es, unsere Tage selber einteilen zu können, dann weg zu fahren, wann wir es für sinnvoll halten und auch vormittags Dinge tun zu können, die andere erst am Nachmittag machen. Weiterlesen

Inkognitoabiturientin – ohne Schule zum Abitur
Text: Julika Poerschke
Meine Erfahrungen mit dem »freien Lernen« haben schon sehr früh begonnen. Ich bin seit meiner Einschulung auf drei freie Schulen gegangen, darunter zwei Montessori-Wild-Schulen und eine Freinet-Schule. Ich konnte größtenteils selber entscheiden, was ich in der Schule mache und habe mich viel mit praktischen Dingen beschäftigt. Ich habe gekocht, viel gebastelt, war viel draußen, habe viele Rollenspiele gespielt und bin auch immer wieder auf »schulische Dinge« gestoßen, die ich dann bearbeitet habe. Mit meinem umzugsbedingten zweiten Schulwechsel an eine Schule, die sehr viel größer war als meine beiden vorherigen Schulen, trat bei mir ein großer Entwicklungsschub ein. Vom Kuhmädchen, das den ganzen Tag auf der benachbarten Kuhkoppel verbrachte und Kühe dressierte, war ich nun gezwungen, mich zu einer »normalen Schülerin« zu entwickeln, die versuchte so zu sein, wie alle anderen auch. Glücklicherweise war mein inneres Kuhmädchen stark genug, um diese Wandlung nicht in einem Desaster enden zu lassen. Weiterlesen

Freilernen als eigene Bildungsform
Der Begriff »Freilerner« wurde sowohl von Lothar Kittstein als auch Bertrand Stern in der Freilerner- Zeitschrift kritisiert. Ich halte ihn trotz der Bedenken für hilfreich und glaube, dass er mit dazu beigetragen hat, dass wir und unser Anliegen in der Gesellschaft sichtbarer geworden sind.
Text: Immanuel Zirkler
Für die Medien braucht es einfache Schlagworte, die sie schon in der Überschrift mit verwenden können. Mit dem Begriff »Freilerner« haben wir eine eigene »Schublade« bekommen und konnten uns so vom religiös motivierten »Homeschooling« abgrenzen.
Außerdem hat der Begriff dazu beigetragen, dass wir uns als Szene verstehen und entsprechend auch als Szene wahrgenommen werden. Auch wenn das damit gebildete »wir« problematische Seiten hat, halte ich die dadurch gewonnene Vernetzung und gegenseitige Bestärkung für wichtig.
Des Weiteren halte ich die durch den Begriff vermittelte Vorstellung vom »Freilernen« als eigener Bildungsform, die auf informelles Lernen und die intrinsische Motivation setzt, für wirkmächtig für das gesamte Bildungssystem.
Solange Menschen davon ausgehen, dass ein regelmäßiger Schulbesuch notwendig ist, werden sie subtile Gewalt zur Durchsetzung der Schulpflicht für gerechtfertigt halten oder eben nicht anerkennen wollen, das sie Gewalt ausüben. Beispiele von Freilerner*innen in ihrem Umfeld oder in den Medien, mit denen sie konfrontiert werden, können weit verbreitete scheinbare Selbstverständlichkeiten in Frage stellen.
Um das Freilernen zu legalisieren, bräuchte es aus meiner Sicht bei den Behörden eigentlich nur eine etwas großzügigere Handhabung bei den Ausnahmeregelungen in den Schulpflichtgesetzen. Die Familien und Behördenvertreter*innen könnten im gemeinsamen Gespräch schauen, wie das Freilernen individuell bei einer Familie aussehen und funktionieren kann. Gleichzeitig können gemeinsame Vereinbarungen getroffen werden, damit für die Behörden sicher gestellt ist, dass es den Kindern gut geht.
Spannend finde ich dazu eine Passage aus einem Artikel des Correctivs, in dem der Schulrechtler Johannes Rux zitiert wird: »Trotzdem ist Rux der Meinung, dass Ausnahmen von der Schulpflicht erlaubt sein sollten – sofern diese nicht von den Eltern, sondern vom Kind selbst initiiert werden. ›Wenn ein Kind gegenüber dem Schulleiter begründen kann, wieso es daheim besser lernen kann und wie es sich in die Gesellschaft eingliedern möchte, dann ist es an der Zeit, nachzudenken‹, sagt der Rechtswissenschaftler. Bei vielen Freilerner-Kindern, die freiwillig zuhause bleiben, sei er daher unbesorgt. ›Wenn Kinder der Ausgangspunkt für diese Entscheidung sind, kann man sicher sein, dass es selbständige Menschen sind, die nicht indoktriniert und abgeschottet werden.‹« Weiterlesen