
Die Freilernerzeitschrift befasst sich mit selbstbestimmten und selbstorganisierten Bildungsformen. Sie ist eine Plattform für Initiativen und Vereine. Es sind viele Familien dabei, die die Schulpflicht verweigern, aber auch freie aktive und demokratische Schulen sowie junge Erwachsene, die sich alternative Bildungsprojekte organisieren. Die Zeitschrift erscheint 4 Mal im Jahr als gedruckte Ausgabe, ist aber auch digital als PDF erhältlich. Wer unsere Arbeit unterstützen möchte, kann dies mit einem Förderabonnement tun. Auch gibt es die Möglichkeit, in der Zeitschrift Kleinanzeigen und Werbeanzeigen zu schalten.
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Gibt es den perfekten Lernort?
Vor kurzem habe ich eine deutsche Reisende kennengelernt, mit der sich ein sehr angeregtes Gespräch über das natürliche und selbstbestimmte Lernen ergeben hat. Sie arbeitet momentan als Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache in einer Willkommens-Klasse an einer Schule in Deutschland; sie kennt die negativen Seiten des Systems und ist individuellem Lernen gegenüber sehr aufgeschlossen. In diesem Gespräch sagte sie etwas, das mich nachdenklich machte – sie sagte: »Ich glaube hier, so mitten in der Natur, gibt es die besten Voraussetzungen für das Freilernen, in der grauen Stadt gibt es viel weniger zu entdecken und zu lernen im Alltagsleben.«
Mich erstaunte diese Aussage ziemlich, vor allem, weil es mitten in einer Phase war, in der mir unsere Umgebung extrem eintönig und langweilig vorkam und ich mir sehnlichst mehr Möglichkeiten für unsere Kinder wünschte.
An dieser Stelle sollte ich wahrscheinlich erst einmal beschreiben wo wir wohnen: Wir leben seit ca. 3 Jahren auf der Insel Bastimentos im Archipelago Bocas del Toro, vor der westlichen Karibikküste Panamas gelegen. Hier ist die Heimat meines Mannes und nach einigen gemeinsamen Jahren in Deutschland haben wir uns entschlossen hierher (zurück) zu ziehen. Die Insel ist zum allergrößten Teil tropisch dicht bewachsen und es gibt nur ein Dorf, ein paar weitere kleine Häuseransammlungen und keine Autos. Die Hauptinsel ist ca. 10 Minuten mit dem Boot entfernt, dort ist die Infrastruktur von Tourismus geprägt und es gibt hauptsächlich Gästehäuser, Hotels und Restaurants sowie Supermärkte und ein paar wenige Warengeschäfte. In dem Dorf, in dem wir leben, gibt es neben den hölzernen Wohnhäusern noch ein paar Gästehäuser, einfache Restaurants und drei kleine Lebensmittelläden. Wir als Familie betreiben eine kleine Saftbar und Surfbrettverleih und vermieten ein Privatzimmer in unserem Haus sowie ein Ferienhaus. Der Rest der Umgebung ist pure Natur: es gibt wunderschöne Strände, türkisblaues Meer, Dschungel und spannende Tiere. Manchmal gibt es auch tagelang Regen, matschige Trampelpfade, heftige Gewitterstürme, viele Mücken und andere Stech- und Krabbeltierchen – Natur in all ihren Facetten :-). Weiterlesen

Freilernen in Potsdam und Berlin
Was den Wohnort angeht, bin ich immer wieder hin- und hergerissen zwischen dem Leben in der Natur und dem Leben in der Stadt. Ich sehe bei beidem die Vorteile und möchte gerne das Beste aus beiden Welten zusammenbringen. Wir leben aktuell in der Stadt und ich habe fast mein gesamtes Leben in der Stadt verbracht. Aber nach einem Jahr, in dem ich mitten in der Natur gelebt habe, kenne ich auch die schönen Seiten des Lebens auf dem Land.
In der Stadt, und vor allem einer Großstadt, sehe ich viele Vorteile. Zum Beispiel, dass man gerade als alternativ lebender Mensch gut Anschluss finden kann an Gleichgesinnte. Ich höre oft von alternativ eingestellten Menschen, die in kleinen Städten oder auf dem Land leben, dass sie beäugt werden von den häufig konservativ eingestellten Mitmenschen. Oder, dass »selbst wenn« ein respektvoller Umgang herrscht, dennoch der Anschluss fehlt an Gleichgesinnte, mit denen man ganz entspannt reden kann, z. B. über das Freilernen – ohne ausgiebig erklären zu müssen, warum man kritisch gegenüber der Schule eingestellt ist oder warum Vorurteile gegenüber dem Freilernen nun einmal nichts anderes als Vorurteile sind. Weiterlesen

Mathe mit Spaß?
»Und wie soll das mit Mathe gehen?«, diese Frage stellte ich mir besonders intensiv, nachdem unsere Söhne sich entschieden hatten, sich nicht mehr weiter in der Schule zu bilden. Meine Antwort darauf war teuer. Nachdem ich an einer freien Alternativschule unterrichtete und selbst Montessori-Materialien einfach toll fand, habe ich für die Beschäftigung mit Mathe damals 2000 DM für Materialien ausgegeben und zusätzlich noch einiges selbst hergestellt. Tja, das war auch so ein Bereich, in dem sich meine Erwartungen nicht mit denen meiner Söhne deckten. Im Laufe von fünf Jahren hat keiner unserer Söhne das Montessorimaterial auch nur angeschaut. M. meinte später dann auch dazu: »Das roch nach Lernen!« Und dazu wollten sie sich einfach nicht drängen lassen bzw. ihre ganz eigenen Wege finden. Weiterlesen

Muße im Kapitalismus
Muße, oder: Über die Unterordnung des erlaubten Materialismus unter kapitalistische Notwendigkeiten
Es gab eine Zeit, in der Adel und Klerus als »Klasse der Müßiggänger« 1 bezeichnet wurden. Zu tun und zu lassen, was einem beliebt und sich ganz frei von Notwendigkeiten allein privaten Neigungen, Wünschen und Genüssen hinzugeben, kurz: seinen Materialismus zu leben, so etwas wird nur dann zum Etikett einer ganzen »Klasse«, wenn in der Gesellschaft andere »Klassen« dazu genötigt sind, nicht nur für den eigenen Lebensunterhalt, sondern zugleich noch für den der »Müßiggänger« zu sorgen. Dabei versteht es sich von selbst – die Rede ist ja vom Feudalismus -, dass die Sorge für das leibliche Wohl und für alle materiellen Voraussetzungen sonstiger mehr oder weniger blöder Neigungen der hohen Herrschaften den dienstbaren Geistern der Gesellschaft wenig Zeit ließ, für sich selbst und die Seinen erstens anständig zu sorgen und zweitens dabei noch freie Zeit für eigene »Muße« zu erübrigen – vom Kirchgang, erzwungen mit der Androhung jenseitiger Scheußlichkeiten durch die klerikale Abteilung der »Müßiggänger«, einmal abgesehen. Und jede noch so elementare Weiterentwicklung der Produktivkräfte, die an sich eine Sorte Teilung der Lebenszeit in Arbeitszeit und freie Zeit für jedermann erlaubt hätte, bei der die Arbeit nicht das Leben auffrisst, sondern eine Zeit der Muße für alle ermöglicht, wäre unter den feudalen Verhältnissen ohnehin nur der herrschenden »Klasse der Müßiggänger« zu Gute gekommen. Weiterlesen
- Ob diese Bezeichnung von Henri de Saint-Simon eine korrekte Bestimmung oder nur eine Polemik darstellt, ist für mich erst einmal nicht von Interesse. Auf jeden Fall trifft sie einen, nämlich den angesprochenen Gesichtspunkt des parasitären Daseins dieser »Klasse«. ↩

Den Menschen als Subjekt in den Mittelpunkt aller Betrachtung stellen
Erwiderung zum Beitrag: „Widersprüchliche Freiheit – Überlegungen zur politischen Dynamik der Freilernerszene“ von Lothar Kittstein in „die freilerner“ 2016/2, Seite 17-20
Lieber Lothar Kittstein,
Ihr Beitrag in der letzten Ausgabe vom „Freilerner“ hat mich sehr angesprochen: Ich konnte darin vieles sehr genau beschrieben wiederfinden, das sich mit meinen persönlichen Erfahrungen im Bereich der Schulkritik, der ich mich als Philosoph seit etwa fünfzig Jahren intensiv widme, deckt und worüber ich auch schon hatte kritisch nachdenken können. Solchermaßen dankbar für die positive Anregung, möchte ich drei Punkte aufgreifen und erörtern:
- Wie steht es in Bezug auf Schulkritik mit der politischen Aktion (oder dem Aktionismus? oder der Agitation?)
- (Nur) Begriffliche Mißverständnisse?
- Perspektiven?
1. Das Anführen des Politischen ruft fast selbstverständlich nach der Frage der Führung, nach der einige der schulkritischen Menschen offensichtlich „gieren“. Unter den diversen Färbungen dieser Führung können wir, einer allzu billigen Pauschalierung entgegenwirkend, unterscheiden zwischen
- der politischen Führung, welche die Gefahr rechtskonservativer bis faschistoider Positionen birgt;
- der (pseudo?-)esoterisch daherkommenden Führung, welcher die Gefahr innewohnt, daß manche Menschen darin eine Zuflucht suchen; wie auch immer sie ihr Handeln somit begründen wollen, sind sie hierbei vor verschiedenen Abstrusitäten nicht gefeit; der ideologischen, religiös-missionarischen Führung, um den Nachwuchs zu den höheren Zielen der Eltern zu (ver-)führen.
- Der pädagogischen Führung in Gestalt einer „(schul-)pädagogischen Reform“; Schulkritik bewegt sich dann zwischen der Larmoyanz über das eigene erzieherische Schicksal und den Vorstellungen, durch welchen Reformversuch („Alternative“) dem Nachwuchs solches Schicksal erspart werden möge.
Nachdem mir pauschale politische, ideologische religiöse oder pädagogische Parolen immer schon suspekt oder unheimlich waren ob der Gefahr, lediglich in Sackgassen zu führen, halte ich mich von allen diesen Tendenzen fern. Deshalb interessiert mich weitaus weniger eine Position entlang der politischen Links-Rechts-Schemata als die Frage der Möglichkeit, hieraus auszubrechen und eine lebenslange Selbstentfaltung des Menschen zu ermöglichen und zu gewährleisten. Weiterlesen

Eine Reise zu Frankreichs FreilernerInnen
Im letzten Herbst durfte ich mit einem Reisestipendium zwei Monate durch Frankreich reisen und dort bei 15 Familien leben, deren Kinder nicht in die Schule gehen.
Ich selbst bin 11 Jahre lang an eine Reformschule gegangen, an der vor allem projektorientiert und in altersgemischten Gruppen gearbeitet wird. Nach der Zeit dort konnte ich sagen, dass es sich wie eine große Familie angefühlt hat. Und das trotz den stressigen letzten Jahren vor dem Wechsel in die Oberstufe, trotz den Hierarchien unter den SchülerInnen, trotz der Mobbingerfahrungen, trotz mancher Willkür von Seiten der LehrerInnen. Insgesamt ging es mir dennoch sehr gut an dieser kleinen alternativen Schule, denn ich habe viele Menschen kennengelernt und viele unterschiedliche Sichtweisen auf die Welt, viele Aktivitäten unternommen, viel Gemeinschaft und Freiraum erlebt. Das war sozusagen der Grundstein für die Arbeit, der ich jetzt nachgehe.
Nach der Zeit an der Reformschule bin ich auf ein Oberstufengymnasium gewechselt – eine für das bestehende Schulsystem immer noch sehr alternative Schule. Im ersten Jahr habe ich mich zwischen uninteressierten LehrerInnen und SchülerInnen wiedergefunden, alle entweder gefesselt am iPhone oder nur wegen Geld oder dem Abschluss in der Schule. Die LehrerInnen haben uns mit den ausgefallensten Beleidigungen überhäuft, wir SchülerInnen waren zunehmend resigniert. Für mich war es der blanke Horror. Ich habe nächtelang wachgelegen und es hat mich förmlich zerfetzt, weil ich nicht verstehen konnte, wie es so viel Sinnlosigkeit an einem Ort geben kann, so viele Menschen, die ohne einen ersichtlichen Grund jeden Tag von Neuem etwas machen, was sie im Innersten ablehnen. Während gleichzeitig so viele Probleme in der Welt bewältigt werden sollten. Weiterlesen