
Die Freilernerzeitschrift gibt es schon seit über 20 Jahren. Sie ist als Plattform für Familien, Initiativen und Vereine, die sich mit selbstbestimmten und selbstorganisierten Bildungsformen beschäftigen, entstanden. Es sind viele Familien dabei, die die Schulpflicht verweigern oder im Ausland schulfrei leben, sowie auch freie aktive und demokratische Schulen und junge Erwachsene, die sich alternative Bildungsprojekte organisieren. Wir bieten Raum für eine breite Vielfalt und stehen für Pluralität, Offenheit und Toleranz, doch wir stellen uns deutlich gegen jegliche diskriminierende, gewaltverherrlichende und nationalistische Ansätze und Ideologien.
Die Zeitschrift erscheint vier Mal im Jahr als gedruckte Ausgabe und ist auch digital als PDF erhältlich. Wer unsere Arbeit unterstützen möchte, kann dies mit einem Förderabonnement tun. Auch gibt es die Möglichkeit, in der Zeitschrift Kleinanzeigen und Werbeanzeigen zu schalten.
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Artikel lesen:

Mathe mit Spaß?
»Und wie soll das mit Mathe gehen?«, diese Frage stellte ich mir besonders intensiv, nachdem unsere Söhne sich entschieden hatten, sich nicht mehr weiter in der Schule zu bilden. Meine Antwort darauf war teuer. Nachdem ich an einer freien Alternativschule unterrichtete und selbst Montessori-Materialien einfach toll fand, habe ich für die Beschäftigung mit Mathe damals 2000 DM für Materialien ausgegeben und zusätzlich noch einiges selbst hergestellt. Tja, das war auch so ein Bereich, in dem sich meine Erwartungen nicht mit denen meiner Söhne deckten. Im Laufe von fünf Jahren hat keiner unserer Söhne das Montessorimaterial auch nur angeschaut. M. meinte später dann auch dazu: »Das roch nach Lernen!« Und dazu wollten sie sich einfach nicht drängen lassen bzw. ihre ganz eigenen Wege finden. Weiterlesen

Muße im Kapitalismus
Muße, oder: Über die Unterordnung des erlaubten Materialismus unter kapitalistische Notwendigkeiten
Es gab eine Zeit, in der Adel und Klerus als »Klasse der Müßiggänger« 1 bezeichnet wurden. Zu tun und zu lassen, was einem beliebt und sich ganz frei von Notwendigkeiten allein privaten Neigungen, Wünschen und Genüssen hinzugeben, kurz: seinen Materialismus zu leben, so etwas wird nur dann zum Etikett einer ganzen »Klasse«, wenn in der Gesellschaft andere »Klassen« dazu genötigt sind, nicht nur für den eigenen Lebensunterhalt, sondern zugleich noch für den der »Müßiggänger« zu sorgen. Dabei versteht es sich von selbst – die Rede ist ja vom Feudalismus -, dass die Sorge für das leibliche Wohl und für alle materiellen Voraussetzungen sonstiger mehr oder weniger blöder Neigungen der hohen Herrschaften den dienstbaren Geistern der Gesellschaft wenig Zeit ließ, für sich selbst und die Seinen erstens anständig zu sorgen und zweitens dabei noch freie Zeit für eigene »Muße« zu erübrigen – vom Kirchgang, erzwungen mit der Androhung jenseitiger Scheußlichkeiten durch die klerikale Abteilung der »Müßiggänger«, einmal abgesehen. Und jede noch so elementare Weiterentwicklung der Produktivkräfte, die an sich eine Sorte Teilung der Lebenszeit in Arbeitszeit und freie Zeit für jedermann erlaubt hätte, bei der die Arbeit nicht das Leben auffrisst, sondern eine Zeit der Muße für alle ermöglicht, wäre unter den feudalen Verhältnissen ohnehin nur der herrschenden »Klasse der Müßiggänger« zu Gute gekommen. Weiterlesen
- Ob diese Bezeichnung von Henri de Saint-Simon eine korrekte Bestimmung oder nur eine Polemik darstellt, ist für mich erst einmal nicht von Interesse. Auf jeden Fall trifft sie einen, nämlich den angesprochenen Gesichtspunkt des parasitären Daseins dieser »Klasse«. ↩

Den Menschen als Subjekt in den Mittelpunkt aller Betrachtung stellen
Erwiderung zum Beitrag: „Widersprüchliche Freiheit – Überlegungen zur politischen Dynamik der Freilernerszene“ von Lothar Kittstein in „die freilerner“ 2016/2, Seite 17-20
Lieber Lothar Kittstein,
Ihr Beitrag in der letzten Ausgabe vom „Freilerner“ hat mich sehr angesprochen: Ich konnte darin vieles sehr genau beschrieben wiederfinden, das sich mit meinen persönlichen Erfahrungen im Bereich der Schulkritik, der ich mich als Philosoph seit etwa fünfzig Jahren intensiv widme, deckt und worüber ich auch schon hatte kritisch nachdenken können. Solchermaßen dankbar für die positive Anregung, möchte ich drei Punkte aufgreifen und erörtern:
- Wie steht es in Bezug auf Schulkritik mit der politischen Aktion (oder dem Aktionismus? oder der Agitation?)
- (Nur) Begriffliche Mißverständnisse?
- Perspektiven?
1. Das Anführen des Politischen ruft fast selbstverständlich nach der Frage der Führung, nach der einige der schulkritischen Menschen offensichtlich „gieren“. Unter den diversen Färbungen dieser Führung können wir, einer allzu billigen Pauschalierung entgegenwirkend, unterscheiden zwischen
- der politischen Führung, welche die Gefahr rechtskonservativer bis faschistoider Positionen birgt;
- der (pseudo?-)esoterisch daherkommenden Führung, welcher die Gefahr innewohnt, daß manche Menschen darin eine Zuflucht suchen; wie auch immer sie ihr Handeln somit begründen wollen, sind sie hierbei vor verschiedenen Abstrusitäten nicht gefeit; der ideologischen, religiös-missionarischen Führung, um den Nachwuchs zu den höheren Zielen der Eltern zu (ver-)führen.
- Der pädagogischen Führung in Gestalt einer „(schul-)pädagogischen Reform“; Schulkritik bewegt sich dann zwischen der Larmoyanz über das eigene erzieherische Schicksal und den Vorstellungen, durch welchen Reformversuch („Alternative“) dem Nachwuchs solches Schicksal erspart werden möge.
Nachdem mir pauschale politische, ideologische religiöse oder pädagogische Parolen immer schon suspekt oder unheimlich waren ob der Gefahr, lediglich in Sackgassen zu führen, halte ich mich von allen diesen Tendenzen fern. Deshalb interessiert mich weitaus weniger eine Position entlang der politischen Links-Rechts-Schemata als die Frage der Möglichkeit, hieraus auszubrechen und eine lebenslange Selbstentfaltung des Menschen zu ermöglichen und zu gewährleisten. Weiterlesen

Was wollen wir künftig?
Erschienen 2016 in Heft 70 – Was wollen wir künftig?.
Claudia:
Grundsätzlich bin ich nicht gewillt, mich einfach so damit zu arrangieren, was vorgegeben ist. Was nicht zwangsläufig bedeutet, daß ich alles verwerfe. Doch wird alles geprüft, ob es so für mich (noch) stimmt. Ständig. Nach dem zu urteilen, was die meisten Leute laufend von sich geben, sind sie alle unzufrieden damit, wie ihr Leben eingerichtet ist. Trotzdem machen sie weiterhin was vorgegeben ist. Viele Programme sind schon so lange verinnerlicht, daß es sich anfühlt, als seien es natürliche Gegebenheiten, die einfach zum Leben dazugehören. „So ist es eben“, oder „da kann man halt nichts machen“ heißt es dann oft. Weiterlesen

Nichtstun als pädagogische Basiskompetenz
Warum wir mehr Muße für das Lernen benötigen
Das Nichtstun als Vorurteil?!
Auf den ersten Blick ist Nichtstun in der Pädagogik negativ besetzt. Man denkt an »Faulenzer«, »Sitzenbleiber« und an so genannte »Taugenichtse«, vor denen uns wohlmeinende Menschen immer warnen. Pädagogik, Bildung und Erziehung sind vielmehr – so die Meinung – dynamische Prozesse, bei denen Educandus und Educand fleißig, strebsam, gehorsam, aktiv und stets bereit zur Höchstleistung zu sein haben – denn schließlich sind »Lehrjahre keine Herrenjahre«. So der Volksmund und eine weit verbreitete Ansicht.
Muße und Nichtstun sollen im Folgenden dagegen als eine pädagogische Grundfunktion, gleichsam als Voraussetzung für gelungene Bildung und Erziehung, definiert werden. Aus unterschiedlichen Blickwinkeln wird dazu das Nichtstun betrachtet, um anschließend für die Pädagogik ein Resümee zu ziehen. Weiterlesen

Willkommen Vielfalt, Willkommen Fremde!
Das Fremde zu respektieren, willkommen zu heißen und zu integrieren, verlangt die Vielfalt unter den schon hier Lebenden und – ja auch – die Vielfalt willkommen zu heißen!
Vor drei Jahren, am 5. November 2012 fand in Wandlitz am Nordostrand von Berlin, wo bis 1989 in einer abgelegenen Waldsiedlung die Politbüroprominenz der SED ihr abgeschottetes, kleinbürgerliches Privilegien-Dasein führte, die größte Versammlung seit der Wende statt: Mehr als 400 Menschen hatten sich versammelt, um mehrheitlich zum Ausdruck zu bringen: »Nein zum Heim!«. Gemeint war das geplante Flüchtlingsheim im leer stehenden ehemaligen Oberstufenzentrum.
Der Artikel ist 2016 in Heft 68 – Gesellschaftliche Vielfalt – vielfältige Gesellschaft erschienen.
Eine Initiative „für humane Einzelunterbringung, gegen ein Flüchtlingsheim“ hatte in kurzer Zeit 400 Unterzeichner und Unterzeichnerin gefunden, darunter fast die gesamte Gemeindevertretung. Wie sich später herausstellte, war es ein ungewolltes Bündnis von jenen, die wirklich humane Wohnverhältnisse für Geflüchtete forderten und jenen, für die diese Losung angesichts kaum vorhandener (nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bezahlbarer) Flüchtlingswohnungen darauf hinauslief: »Keine Flüchtlinge in Wandlitz!«.
In der Nacht vorher fasste ich den Entschluss, trotz der zu erwartenden Widerstände einen Diskussionsbeitrag zu halten, der angesichts von bis dahin schon 18.000 im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlingen aber auch angesichts zig tausender während der Nazizeit auf allen Kontinenten aufgenommener rassisch und politisch Verfolgter aus Deutschland, für die Solidarität mit den Geflüchteten aufrief. Weiterlesen