Widersprüchliche Freiheit
Überlegungen zur politischen Dynamik der Freilernerszene
1. Vorbemerkung
Ausgangspunkt dieser Überlegungen war eine Diskussion, die vor kurzem in einer Facebook-Gruppe stattfand. Es ging darum, welche Rolle rechtsorientierte Esoterik und Verschwörungstheorien innerhalb der »Freilerner-Szene« spielen bzw. spielen dürfen. Wer im Verlauf dieser Debatte die Profile bzw. Timelines vieler Beteiligter durchging, fand dort auffällig oft ein ähnliches Set von Interessen: unwissenschaftliche Impfkritik (»Masern gibt es nicht«, AIDS vielleicht auch nicht), extremer Antiamerikanismus (»die USA stehen hinter ISIS«), Pro-Putin-Positionen, Reichsbürger-Ideologie, vermischt mit alternativen Lifestylethemen wie Rohkost, Allergien, Veganismus, Yoga. Die Tatsache, dass auf Facebook immer wieder derartige Beiträge auftauchten, führte zu der Frage: Ist das Zufall? Handelt es sich um den Versuch bestimmter Strömungen, das Thema »Freilernen« strategisch für sich zu vereinnahmen? Oder weist möglicherweise das »Freilernertum« selbst eine inhärente Schlagseite auf, die es für (rechts-)esoterische, verschwörungstheoretisch grundierte Positionen anfällig macht? Um dies zu prüfen, soll hier – über das genannte facebook-Phänomen hinaus – die grundsätzliche Frage nach der politischen Dynamik der Freilerner-»Szene« gestellt werden, ausgehend von der Frage, wie diese Szene historisch-soziologisch überhaupt einzuordnen ist. Wer dies prüfen will, stößt wie alle, die sich mit Freilernern beschäftigen, auf das Problem der schmalen Datenbasis, verschärft durch die Illegalität des schulfreien Lebens in Deutschland; naturgemäß bleibt deshalb das Folgende in vieler Hinsicht lückenhaft und basiert in wissenschaftlich eigentlich unzulässigem Ausmaß auf subjektiven Beobachtungen in den sozialen Netzwerken. Weiterlesen