Die Freilernerzeitschrift gibt es schon seit über 20 Jahren. Sie ist als Plattform für Familien, Initiativen und Vereine, die sich mit selbstbestimmten und selbstorganisierten Bildungsformen beschäftigen, entstanden. Es sind viele Familien dabei, die die Schulpflicht verweigern oder im Ausland schulfrei leben, sowie auch freie aktive und demokratische Schulen und junge Erwachsene, die sich alternative Bildungsprojekte organisieren. Wir bieten Raum für eine breite Vielfalt und stehen für Pluralität, Offenheit und Toleranz, doch wir stellen uns deutlich gegen jegliche diskriminierende, gewaltverherrlichende und nationalistische Ansätze und Ideologien.
Die Zeitschrift erscheint vier Mal im Jahr als gedruckte Ausgabe und ist auch digital als PDF erhältlich. Wer unsere Arbeit unterstützen möchte, kann dies mit einem Förderabonnement tun. Auch gibt es die Möglichkeit, in der Zeitschrift Kleinanzeigen und Werbeanzeigen zu schalten.
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Artikel lesen:
Gedanken zum Artikel „Die Freiheit, die sie meinen“ von Thomas Gesterkamp vom 30.05.2020 im „Neuen Deutschland“
Text: Angela Schickhoff, Vorstand des BVNL, Autorin, Ausgabe Nr. 87
Am 30.05.2020 erschienen zwei Artikel im „Neuen Deutschland“. Zum einen ein Interview von Stefan Otto mit Joshua Conens, einem der „Macher“ des Spielfilms „CaRabA“, mit dem Titel „Eine Gesellschaft ohne Schule“, in welchem sehr reflektiert über die Probleme unseres Schulsystems und ein Leben ohne Schule diskutiert wurde. Zum anderen der Artikel „Die Freiheit, die sie meinen“ von Thomas Gesterkamp, in dem leider ganz unreflektiert verschiedene Phänomene und Bewegungen durcheinandergebracht wurden. Zudem sind Teile des Artikels klar der sehr schlecht recherchierten GEW-Veröffentlichung vom 10.02.2020 zum Thema Homeschooling mit dem Titel „Braune Schnittmengen“ entnommen worden.
Im Prinzip muss man sich als Freilerner*in in den ersten Absätzen dieses Artikels gar nicht angesprochen fühlen. Im Untertitel („Schulverweigerer haben verschiedene Motive, doch viele sind rechts und ultrareligiös.“) ist zunächst allgemein die Rede von Schulverweigerern. Von diesen gibt es in Deutschland etwa 300.000, wobei eine Zählung schwierig und abhängig von der Definition des Begriffes ist. Im weiteren wird jedoch klar, dass es Gesterkamp nur um einen bestimmten Teil von ihnen geht. Diesen Teil zu definieren, fällt ihm jedoch schwer. Mit dem Begriff „Homeschooling“ grenzt er ihn ein. Er schreibt von Eltern, „die sich bewusst dem staatlichen Bildungsauftrag entziehen wollen“ und nennt als Beispiel die sicherlich vielen von uns bekannte Familie Wunderlich, für deren Schulverweigerung vor allem religiöse Gründe eine Rolle spielten. Aber dann taucht doch der Begriff „Freilernen“ auf. Zunächst scheint Gesterkamp keinen Unterschied zum Homeschooling zu machen, differenziert dann aber doch, allerdings nur anhand weniger schulkritischer Schlagworte, nicht anhand der jeweiligen Vorstellungen von außerschulischer Bildung, und damit leider am Kern vorbei. Er erwähnt noch, dass Freilerner*innen die eher moderate Gruppe bilden würden, die sich in einem Verband – gemeint ist vermutlich der BVNL e.V. – organisiert hätten. Offensichtlich versteht er Freilerner*innen als Teil der Homeschooling-Bewegung.
WeiterlesenKinderrechte ins Grundgesetz
Text: Immanuel Zirkler, Ausgabe Nr. 87
Die große Koalition vereinbarte 2018, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern1. Das Ziel scheint dabei zu sein, die bestehende Rechtsprechung stärker ins Bewusstsein zu bringen, ohne juristisch wirklich etwas zu verändern.2 Es wurden verschiedene Vorschläge gemacht, zunächst durch Grüne3 und Linke4. Die Linke formulierte bei ihren Anträgen u.a. die Hoffnung, den Staat mit den Kinderrechten im Grundgesetz zu Maßnahmen gegen Kinderarmut zu verpflichten.5 Bundesjustizministerin Christine Lamprecht (SPD) wählte aus verschiedenen Vorschlägen ihres Ministeriums einen aus, der von den Kinderrechts-Verbänden deutlich kritisiert wurde, da diese Variante hinter der bestehenden Rechtsprechung zurück bleibt.6 Nachdem Horst Seehofer (CSU) den Vorschlag von Christine Lamprecht als „ein bisschen zu detailliert und zu weitgehend“ ablehnte, scheint es aktuell unwahrscheinlich zu sein, dass es innerhalb dieser Legislaturperiode noch zu einer Grundgesetzänderung kommt.
WeiterlesenVom unterschiedlichen Wert typisch weiblicher oder männlicher Tätigkeiten
Text: Christiane Ludwig-Wolf, Ausgabe Nr. 86
Häufig ist es so, dass wir Emanzipation und Gleichberechtigung von Männern und Frauen darin sehen, dass Frauen die gleichen Möglichkeiten wie Männer haben – das Gleiche verdienen, gleiche Möglichkeiten zur Karriere haben, in den bisher männlich geprägten Strukturen von Politik und Wissenschaft auch mitmachen dürfen. Selbstverständlich sind diese Forderungen berechtigt und es ist eine Schande, dass dafür immer noch gekämpft werden muss.
Jedoch sollten auch die typisch weiblichen Tätigkeiten ebenso wertgeschätzt und honoriert werden, wie die typisch männlichen Tätigkeiten. Wieso ist es wertvoller, wenn jemand Aufsichtsrat bei einem Konzern ist oder Ingenieur in einer Waffenfabrik, als sich um kleine Kinder zu kümmern, Essen zu kochen oder das Klo zu putzen? Ich würde sogar behaupten, wenn Ersterer oder Erstere seine oder ihre Arbeit nicht mehr machen würde, ginge es der Welt deutlich besser, die zweiten Arbeiten sind unerlässlich. Trotzdem wird zweiteres schlecht oder gar nicht bezahlt.
Weiterlesen»Wir haben ganz bewusst einen Rollentausch gemacht«
Interview mit Andreas Schneider zum radikalen Umbau der Ausbildungssysteme
Interview: Rainer Müller
Andreas Schneider ist 66 Jahre alt und hat in seiner Zeit als Ausbildungsleiter bei der Firma Trumpf Maschinenfabrik das dortige Ausbildungswesen revolutioniert: weg von den klassischen lehrgangszentrierten Ausbildungsinhalten in der Lehrwerkstatt hin zu Projektarbeit im Betrieb und außerhalb des Unternehmens. Dieser radikale Umbau wurde flankiert von einer Neuausrichtung der Ausbilder, vom »Lehrer« hin zum Coach und Lernbegleiter. Darüber hinaus wurde auf sein Betreiben hin das Zeugnis als Eingangsvoraussetzung zur Auswahl der Auszubildenden abgeschafft und durch Potentialanalysen ersetzt.
Heute berät Andreas Schneider mit seiner Firma White Table Solutions Unternehmen, Verbände und Institutionen nicht nur bei der Umgestaltung ihrer Ausbildungssysteme, sondern unterstützt diese auch bei anderen Veränderungsaktivitäten (siehe auch www.white-table-solution.de). Daneben bietet er mit BOW-life intuitives Bogenschießen als Element für den Coaching- und Change-Prozess sowie für die persönliche Weiterentwicklung an (siehe www.bow-life.de).
Vor einigen Monaten hatte ich nun Gelegenheit, ein Interview mit Andreas Schneider zu führen und mit ihm über seine Erfahrungen mit Ausbildung, Berufsschule und dem Schulsystem zu sprechen, und darüber, wie eine Welt ohne Zeugnisse aussehen könnte.
WeiterlesenMama lernt gamen
Text: Eaglechild, Ausgabe Nr. 85
Wir sind eine Familie von Informatikern, aber seltsamerweise begegnete ich den Videospielen erst, als ich das vierzigste Lebensjahr bereits überschritten hatte. Mein Sohn war damals noch jung, die Tochter noch ein Baby. Wir waren im Winterurlaub mit den Schwiegereltern und den Geschwistern meines Mannes, und irgend jemand hatte eine Spielkonsole mitgebracht.
Da wir zu Hause berufsbedingt viel am Computer arbeiteten, war mein Sohn an den Umgang mit Bildschirmmedien gewöhnt und hatte auch schon selbst einige Kreativ- und Lernspiele mit Buchstaben, Zahlen, Tieren usw. gespielt. Aber eines der Spiele, welche die älteren Kinder dort an der Konsole spielten, faszinierte uns besonders, denn es war etwas völlig neues für uns.
WeiterlesenElternrecht und »Kindeswohl« – Artikel 6 GG aus Freilernersicht
Text: Lothar Kittstein
1. Erziehung – ein Grundrecht? Eine Grundpflicht?
Zu den wichtigsten, aber auch umstrittensten Rechtsbestimmungen aus Freilernersicht gehört Artikel 6 des Grundgesetzes. Er garantiert für »Ehe und Familie« besonderen staatlichen Schutz (Absatz 1) und bestimmt in Absatz 2 »Erziehung und Pflege der Kinder« als das »natürliche Recht« der Eltern und »die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht«. Über die erzieherische Betätigung der Eltern »wacht«, so Absatz 2 weiter, die »staatliche Gemeinschaft«.
Freilerner und insbesondere religiös motivierte Homeschooler, die mit dem Elternrecht auf Erziehung argumentieren, heben gerne das Adjektiv »natürlich« hervor. Dieses komme im Grundgesetz bei keinem anderen Grundrecht vor, weshalb das Elternrecht nach Artikel 6 einen besonderen Rang im Grundgesetz habe. Dies widerspricht allerdings der herrschenden Rechtsauffassung, die dem Adjektiv keine besondere verfassungsrechtliche Bedeutung bemisst, was bei näherer Betrachtung auch dem Laien einleuchtet: Sachlich muss z.B. das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit als ein genauso »natürliches« Recht gelten wie das Erziehungsrecht. Selbst ein scheinbar höchst modernes Grundrecht wie das Recht der Unverletzlichkeit der Wohnung geht doch auf ein zutiefst natürliches menschliches Bedürfnis zurück, da ein erfülltes Leben ohne eine sichere Behausung kaum vorstellbar ist. Umgekehrt zeichnen sich frühe Epochen der Menschheitsgeschichte offenbar gerade nicht dadurch aus, dass Erziehung und Pflege der Kinder ein exklusives Recht der leiblichen Eltern waren, vielmehr dürften sich diese Tätigkeiten lange Zeit auf verschiedene Mitglieder von Großfamilien bzw. ganze Sippen verteilt haben. Deshalb führt die Lesart, wonach der Artikel 6 GG als einziger GG-Artikel ein »Naturrecht«, also eine gleichsam vorzivilisatorische Gegebenheit formuliert, die staatlicher Einschränkung nicht zugänglich ist, in die Irre. Dass der Verfassungsgeber dies so nicht gemeint hat, belegt ja auch schon die Nennung des staatlichen Wächteramts im selben Absatz. Tatsächlich dürfte die Wahl des Worts »natürlich« bei den Diskussionen um das Grundgesetz 1948/49 lediglich ein rhetorisches Zugeständnis an konservative Kreise gewesen sein; das Adjektiv besitzt heute keine rechtliche Relevanz.
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