Das Thema »arbeiten« innerhalb unserer Familie

Text und Foto: Nina Downer

Unsere 3 Söhne (12,10 und 7 Jahre alt) arbeiten im Allgemeinen gerne und freiwillig. Sie haben auch oft die Möglichkeit dazu, weil wir in einem Land leben, in dem es kulturell als normal gilt, dass nicht nur Jugendliche sondern auch jüngere Kinder mitarbeiten.

In unserem kleinen familieneigenen Tourismusbetrieb gibt es immer wieder Aufgaben, die sie übernehmen können – teilweise vollkommen selbstständig und teilweise mit Hilfe eines Erwachsenen. Meistens bekommen sie dafür von uns etwas Geld, manchmal auch nicht. Manchmal wollen sie gar kein Geld und manchmal wollen sie, dass wir es für sie aufheben, bis sie mal etwas sehen, was sie kaufen wollen. Ich würde sagen, Bezahlung für die geleistete Arbeit ist für sie meistens eher eine Nebenerscheinung, als der Hauptgrund für die Arbeit. Die grundlegenden Motivationspunkte sind eher, dass sie etwas für die Familie beitragen möchten, sie auf diesem Weg ihre wachsende Selbständigkeit erleben können und neue Dinge zu lernen.

Immer wieder gehen sie auch Tätigkeiten nach, die keinen finanziellen Betrag erwirtschaften, die aber auf andere Art und Weise einen Beitrag für die Familie leisten. Beispiele hierfür sind angeln, Früchte oder Gemüse ernten oder etwas am Haus oder im Garten zu reparieren.

Dazu kommt natürlich auch noch die Mitarbeit bei täglich anfallenden Aufgaben im Haushalt. Diese sind nicht immer beliebt, aber müssen halt nun mal erledigt werden und es macht dann doch auch für alle Sinn, dass es schneller und leichter geht, wenn diese Arbeit auf mehrere Schultern verteilt wird. Manchmal teile ich diese Tätigkeiten nach aktueller Notwendigkeit ein und manchmal ergibt es sich, dass sich jeder das aussuchen kann, was er gerade am liebsten machen will, sei es Wäsche waschen oder aufhängen, kochen, abspülen oder einkaufen gehen.

Auch außerhalb der Familie suchen sich unsere Kinder immer wieder selbständig Möglichkeiten zu arbeiten, meistens gemeinsam mit anderen Kindern oder auch Erwachsenen aus der Verwandtschaft oder Nachbarschaft. Da wird dann oft mehrere Stunden gemeinsam geplant, Aufgaben verteilt, geschwitzt, gepflückt, hergestellt, verkauft, Einnahmen aufgeteilt etc. Diese Tätigkeiten können sowohl durch den akuten Wunsch nach eigenem Geld, als auch durch Langeweile und dadurch entstehende Pläne motiviert sein.

Oft wird das auf diesem Wege erwirtschaftete Geld am Schluss auch nicht aufgeteilt, sondern gemeinsam investiert z.B. in ein kleines Grillfest oder in Material, um etwas zu bauen, was allen zugute kommt. Dabei helfen dann natürlich auch wieder alle mit und es wird deutlich, dass die Grenzen zwischen Arbeit und Spiel definitiv fließend sind und diese keine starren Gegensätze darstellen müssen, wie es so oft vermittelt wird und wie es leider so viele Menschen täglich erleben.

Ich wünsche unseren Kindern, dass sie sich diese Natürlichkeit und Ausgeglichenheit im Umgang mit Arbeit auch in Zukunft bewahren!
Ich selbst erinnere mich auch an Spaß und freudige Momente im Zusammenhang mit Arbeit in meiner eigenen Kindheit. Das ging mit selbstorganisierten Flohmärkten innerhalb der Nachbarschaft los, und auch mit Freunden geplante und umgesetzte »Zirkusvorstellungen«, für die wir einen kleinen Geldbetrag als Eintritt verlangten, waren sehr beliebt.

Bereits im Grundschulalter habe ich dann angefangen gegen Bezahlung außerhalb der Familie zu arbeiten. Zuerst habe ich zusammen mit meiner Schwester eine Vereinszeitschrift 1x im Monat ausgetragen, später kam dann das Geben von Nachhilfeunterricht dazu. Und sobald ich das offizielle Mindestalter für Erwerbstätigkeit erreicht hatte, hatte ich immer mindestens einen Job, z.B. in der Bücherei, in der Firma in der mein Vater arbeitete oder im Supermarkt an der Kasse.

In Bezug auf die zuletzt genannten Tätigkeiten würde ich schon sagen, dass die finanzielle Entlohnung meine Hauptmotivation war, aber darüber hinaus habe ich definitiv auch noch so manch anderes von diesen Arbeitsstellen mitnehmen können. Es war ein spannendes, und auch nicht immer einfaches, Eintauchen in die »Erwachsenenwelt«. Ich habe sehr viel über Zwischenmenschliches, Selbstbewusstsein, Hierarchien und Verantwortung gelernt. Ich habe gelernt mich selbst zu motivieren, wenn ich mal keine Lust hatte, und auch wahrzunehmen, wann es Zeit ist einen Schlussstrich zu ziehen, wenn ich einem bestimmten Job außer der finanziellen Entlohnung gar nichts mehr abgewinnen konnte.

Das Verfügen über ein eigenes Einkommen hat mir ein Gefühl von Freiheit und Selbständigkeit verliehen und mir gleichzeitig die Möglichkeit gegeben, zu lernen mit größeren Geldsummen umzugehen. Dabei habe ich mit Sicherheit das ein oder andere Mal etwas eher auf die harte Tour gelernt, aber dies waren dafür echte Erfahrungen, deren Lektionen ich im Anschluss nicht mehr vergessen habe.

Einen anderen positiven Effekt des Arbeitens fand ich die Abwechslung zwischen Arbeitszeit und Freizeit. Ich hatte selbst im Gymnasium jeden Tag um 13h Schulschluss und auch die Hausaufgaben waren ziemlich überschaubar. Dadurch war es für mich vollkommen in Ordnung ca. 3x pro Woche zu arbeiten und im Gegenzug wusste ich die arbeitsfreien Tage dann um so mehr zu schätzen. Manchmal habe ich auch mehrere Ferienwochen komplett durchgearbeitet, um dann in der restlichen Ferienzeit mit Freunden wegzufahren oder verschiedene Ausflüge unternehmen zu können.

Ich kann mir vorstellen, dass die zunehmende Länge der Schultage und die Zunahme an Hausaufgaben und Lernstoff für die Jugendlichen von heute bedeutet, dass sie weniger Möglichkeiten zum Arbeiten haben bzw. dass das Annehmen eines Jobs fast den kompletten Wegfall von Freizeit bedeutet. Das finde ich eine echte Benachteiligung!

Der Artikel ist 2018 in Heft 79 – Kinder & Arbeit erschienen.

Im Allgemeinen bin ich der Ansicht, dass die Altersgrenze für legale Erwerbstätigkeit gesenkt werden sollte. In Deutschland darf man erst mit 13 Jahren »leichte« Arbeiten ausführen und das auch nur 2 Stunden pro Woche. Warum man z.B. nicht mit 11 Jahren schon Zeitungen austragen oder für andere Leute Besorgungen erledigen darf, verstehe ich nicht. Klar gibt es dafür informelle Wege, doch dadurch sehe ich die Gefahr der Ausnutzung von Kindern viel eher gegeben, als wenn sie eine Tätigkeit ganz legal und offiziell mit einem Arbeitsvertrag und festgeschriebenen Bedingungen ausführen dürfen.

Unser 10jähriger Sohn hatte sich bei einem mehrwöchigen Aufenthalt in Deutschland dieses Jahr sehr gewünscht ein Praktikum in einem Gärtnerbetrieb machen zu dürfen. Dies wurde ihm leider aus gesetzlichen Gründen verwehrt und sowohl er, als auch wir Eltern, finden es sehr schade, dass er diese Möglichkeit Neues zu lernen und sich auszuprobieren nicht bekommen hat. ◼

 

Lesenswerte Webseite zum Thema: ProNATS e. V. – Solidarität mit arbeitenden Kindern und Jugendlichen


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