Vom unterschiedlichen Wert typisch weiblicher oder männlicher Tätigkeiten

Text: Christiane Ludwig-Wolf, Ausgabe Nr. 86

Häufig ist es so, dass wir Emanzipation und Gleichberechtigung von Männern und Frauen darin sehen, dass Frauen die gleichen Möglichkeiten wie Männer haben – das Gleiche verdienen, gleiche Möglichkeiten zur Karriere haben, in den bisher männlich geprägten Strukturen von Politik und Wissenschaft auch mitmachen dürfen. Selbstverständlich sind diese Forderungen berechtigt und es ist eine Schande, dass dafür immer noch gekämpft werden muss.

Jedoch sollten auch die typisch weiblichen Tätigkeiten ebenso wertgeschätzt und honoriert werden, wie die typisch männlichen Tätigkeiten. Wieso ist es wertvoller, wenn jemand Aufsichtsrat bei einem Konzern ist oder Ingenieur in einer Waffenfabrik, als sich um kleine Kinder zu kümmern, Essen zu kochen oder das Klo zu putzen? Ich würde sogar behaupten, wenn Ersterer oder Erstere seine oder ihre Arbeit nicht mehr machen würde, ginge es der Welt deutlich besser, die zweiten Arbeiten sind unerlässlich. Trotzdem wird zweiteres schlecht oder gar nicht bezahlt.

Elterngeld wird 14 Monate lang bezahlt, wobei ein Elternteil maximal 12 Monate in Anspruch nehmen kann. Die Höhe des Elterngeldes richtet sich nach dem vorherigen Einkommen. Das heißt, wie wertvoll es ist, dass ich mich um mein Kind kümmere, wird nicht danach bemessen, dass ich es mache, sondern danach, was ich zuvor im offiziellen, patriarchal geprägten Arbeitsmarkt für meine Arbeit bekommen habe.

Grundsätzlich denke ich, dass Eltern selber entscheiden sollen, wie sie ihre Kinder betreuen und die Erwerbsarbeit und Kinder und Haushalt untereinander verteilen. Da gibt es zu viele unterschiedliche Situationen und Gründe, als dass sich da von außen jemand einmischen sollte. Deshalb finde ich es schon etwas problematisch, dass der 13. und 14. Monat nur bezahlt wird, wenn der andere Elternteil dann daheim bleibt. Und natürlich finde ich es auch schön, wenn beide Elternteile sich gleichermaßen um Kinder und Haushalt kümmern. Das soll mit dem geteilten Elterngeld 12 + 2 gefördert werden. Schön, wenn es gut funktioniert. Ich denke, es kann gut funktionieren, wenn der Vater schon vor der Geburt Kontakt zum Kind hat, wenn er sich danach ausreichend Zeit nimmt, bei seinem Kind zu sein, wenn er auch sonst manches im Haushalt macht und eine Ahnung hat, was wie zu tun ist.

Manche Väter sind dazu nicht willig, andere vielleicht so mit ihrem Beruf beschäftigt, dass keine Zeit bleibt. Jetzt muss die Mutter, die beim Kind daheim ist, nachdem schon alles an ihr hängen bleibt, zusätzlich auch noch auf die Bezahlung des 13. und 14. Monats verzichten.

In einer Diskussion übers Erziehungsgeld beklagte ein Mann, der sich als Feminist bezeichnete, dass viele Eltern den 13. und 14. Monat für eine länger Reise nutzten oder um gemeinsam daheim zu sein. Dann könne der Vater ja gar nicht mitbekommen, was es bedeutet, alleine für Kind und Haushalt zuständig zu sein. Das stimmt. Aber was bedeutet es für ein kleines Kind, neun Monate in der Schwangerschaft ganz in der Mutter zu sein, mit ihr ganz verbunden zu sein, die nächsten zwölf Monate fast ausschließlich von der Mutter versorgt zu werden, und dann von einem Tag auf den anderen vom Vater? So kann ich doch nicht mit einem jungen Menschen umgehen.

Abgesehen davon ist es auch eine Geringschätzung der häuslichen und mütterlichen Arbeit, wenn davon ausgegangen wird, die könnte beliebig einfach mal so eben, wie die einfachste Hilfsarbeit, von jemand anderem übernommen werden. Und in der Praxis ist es ja dann leider auch oft genug so, dass wenn dann tatsächlich getauscht wird, die Frau am Abend nach der Erwerbsarbeit noch den größeren Teil der Hausarbeit erledigt. So ist es vielleicht vor allem realistisch, wenn sich Eltern dazu entscheiden, sich die letzten zwei Monate gemeinsam um ihr Kind zu kümmern und so die beste Möglichkeit für alle diese Zeit gut zu nutzen.

Ein wichtiger Grund von diesem feministischen Mann, dafür dass Eltern sich die Betreuung der Kinder teilen sollten, war, dass damit Frauen die gleiche Möglichkeit wie die Väter haben, im Beruf Karriere zu machen, dort gut zu verdienen und vor allem genügend Rentenansprüche anzusammeln. Es ging ihm also viel mehr darum, dass es Frauen ermöglicht wird, auch an der anerkannten, bezahlten Arbeit teilzuhaben, als darum, dass Kinder- und Hausarbeit den gleichen Wert bekommt wie Erwerbsarbeit. Meiner Meinung nach sollte das aber das Ziel sein. Das bedeutet zum einen eine Wertschätzung im äußeren Bereich, aber ist auch eine Frage der inneren Einstellung, wie diese Arbeiten empfunden und gedacht werden.

Männer sollten weder besonders bewundert werden, wenn sie Hausarbeit verrichten oder fürsorglich sind, noch sollten sie dafür verachtet werden. Es muss selbstverständlich werden, dass Männer und Frauen diese Arbeiten machen und dass es außerordentlich wichtige Arbeiten sind.

Kleine Mädchen sind oft stolz darauf, für einen Bub gehalten zu werden. Anders herum weniger oder es wird sogar abfällig zu einem Jungen gesagt, er sei wie ein Mädchen. Mädchen typische Bubenkleidung anzuziehen ist kein Problem und auch als Frau Hosen anzuziehen und sich burschikos zu kleiden, ist anerkannt. Einem Bub rosa Kleidung anzuziehen oder als Mann mit Rock rum zu laufen ist eher schwierig und wird häufig negativ kommentiert.

Wird schon die Gleichberechtigung von Frauen in unserer Gesellschaft immer noch unzureichend umgesetzt, so wird an die Gleichberechtigung von dem Weiblichen zugeschriebenen Werten, Arbeiten, Bedürfnissen und Ausdrucksweisen meist noch nicht mal gedacht. Sowohl für Frauen und Mädchen als auch für Buben und Männer ist es schwer, diese weiblichen Anteile zu leben und zu zeigen, so lange diese eher als Makel denn als Stärken und zugehörige Selbstverständlichkeit empfunden werden.

Dieser Artikel ist 2020 in Heft 86 – Rollenbilder & Erwachsenwerden erschienen