Filmtipp: »Schooling the World«

Erschienen 2015 in Heft Nr. 67 – Entschulung der Gesellschaft.

Wie lernen Kinder für ihre Zukunft? Wer bestimmt wie und was in Schulen gelehrt wird? Und welchen Einfluss hat dies auf die Kultur(en) und Entwicklung vor Ort?

Diesen Fragen, und noch so manchen anderen, geht Carol Black in ihrem Dokumentarfilm »Schooling the World« nach.

Der Film zeigt am Beispiel von Ladhak in Indien, welche Auswirkungen die Ausbreitung des westlichen Schulsystems auf die örtliche Bevölkerung und Kultur hat. Den Kindern wird in den Schulen dort (oft Internate) auf kolonialistische Art und Weise eine ihnen fremde Kultur übergestülpt, während die eigene Kultur mit ihrem altbewährten Wissen, Traditionen und Sprache degradiert wird. Auch die Verbindung zur Natur und zu dem Land, das sie bewohnen und bewirtschaften, geht dabei verloren. Die Generationen werden untereinander zunehmend entfremdet und die Kinder und Jugendlichen laufen nach Verlassen der Schule einem ihnen eingepflanzten aber meist unerreichbarem Ideal der westlichen reichen Konsumgesellschaft hinterher und fühlen sich gleichzeitig entwurzelt und orientierungslos.

Es wird auch eine Parallele gezogen zu einem dunklen Kapitel der nordamerikanischen Geschichte, als die Kinder der indigen Völker ihren Eltern weggenommen und in Internate gesteckt wurden. Das erklärte – und leider auch meist erreichte – Ziel war, den jungen Indigenen ihre Sprache und Kultur »auszutreiben«.

Im Film wird darüber hinaus deutlich, dass die zunehmende weltweite Ausbreitung des westlichen Schulsystems in der heutigen Zeit auf zwei vollkommen unterschiedlichen Beweggründen basiert.

Zum einen wird sie durch den Druck von multinationalen Konzernen und Organisationen, wie der Weltbank, vorangetrieben, die ihren wirtschaftlichen Einflussbereich weiter ausbauen wollen.

Andererseits verbirgt sich hinter den negativen Auswirkungen oft ein guter Wille. Menschen aus den Ländern des globalen Nordens möchten Menschen in Ländern des globalen Südens helfen, ohne zu sehen, dass dabei im Endeffekt oft viel Schaden angerichtet wird. Bewusst oder unbewusst werden andere Kulturen als primitiv und entwicklungsbedürftig wahrgenommen, denen es besser gehen wird, wenn sie die westliche Lebensweise – inklusive dem dazugehörigen Schulsystem – übernehmen.

Dass Lernen auch anders stattfinden kann, zeigen die wunderschönen Bilder im Film, die Kinder in ihrer natürlichen Umgebung und eingebunden in ihre Familie und Dorfgesellschaft zeigen. Generationsübergreifend wird dort zusammen gearbeitet, gekocht, erzählt und gelacht.

Nur wird dies leider mittlerweile immer seltener, da mehr und mehr Familien oder auch Kinder alleine in die Städte, wo die »besten« Schulen sind, abwandern und hauptsächlich ältere Menschen in den traditionellen Dörfern zurückbleiben.

»Schooling the World« ist ein Film, der wachrüttelt und vieles hinterfragt. Es werden Zusammenhänge deutlich, die einem vorher vielleicht gar nicht bewusst waren. Es kommen viele verschiedene Menschen zu Wort und es wird durch Zitate der letzten Jahrhunderte auch ein historischer Einblick gegeben. Dabei findet keine moralische Wertung mit dem erhobenen Zeigefinger statt, sondern die Bilder und Beiträge sprechen für sich selbst.

Ich würde mir wünschen, dass viele Menschen sich diesen Film anschauen und sich mit der Thematik auseinandersetzen. Gerade als Freilerner begegnen einem ja oft Kommentare wie »Kinder in armen Ländern wären froh, wenn sie in in die Schule gehen dürften« oder »wenn Kinder auf der ganzen Welt Zugang zu Schulbildung hätten, würde es allen besser gehen«. Dass dies ganz sicher keine pauschal gültigen Aussagen sind, wird im Film deutlich gezeigt!

Nina Downer

Trailer »Schooling the World«

schooling the worldKostenlos zu sehen unter: www.filmsforaction.org/watch/schooling_the_world_2010/ (deutsche Untertitel können bei CC in der rechten unteren Ecke eingeschaltet werden).

Mehr Hintergrundinfos, DVD-Bestellung und Video-Download (kostenpflichtig, verschiedene Preise wählbar) unter: www.schoolingtheworld.org.