Wahlprüfsteine zur Landtagswahl in Sachsen

Bei den Wahlprüfsteinen zur Landtagswahl 2019 in Sachsen ist die Position von Bündnis 90 / Die Grünen Sachsen hervorzuheben. Diese sprechen sich in einem Positionspapier für die Entkriminalisierung des Freilernens aus. Auch bei den anderen Parteien wird deutlich, dass sich die Parteien hier schon deutlich intensiver mit Freilernen und Homeschooling auseinandergesetzt haben, als das in anderen Bundesländern der Fall ist. Hier wird es sich lohnen, genau zu lesen und mit den Parteien weiter den Dialog zu suchen.


Laut Recherchen des Vice Magazin waren 2017 in Sachsen 200 junge Menschen wegen ihrer Schulverweigerung im Jugendarrest. Die Motive nicht zur Schule zu gehen, sind sehr unterschiedlich. Aktuell wird in der Öffentlichkeit auch im Zusammenhang mit Fridays for Futur über die Abwägung verschiedener Grundrechte mit der Schulpflicht diskutiert. Wie steht Ihrer Partei zu Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung der Schulpflicht? Welchen Umgang mit schulverweigernden jungen Menschen hält Ihre Partei für sinnvoll?

CDU Sachsen: Die allgemeine Schulpflicht ist im Sächsischen Schulgesetz klar geregelt. Das Schulgesetz wurde in dieser Legislaturperiode erneut geprüft und fortgeschrieben. An der allgemeinen Schulpflicht hat sich nichts geändert. Neben der Vermittlung von Wissen in der Schule werden auch soziale Kompetenzen, gegenseitiger Respekt, Kommunikationsvermögen und gesellschaftliche Werte möglichst objektiv und umfassend vermittelt. Dies kann nach unserer Auffassung in dieser Breite nur eine Schule leisten. Daher stehen wir zur allgemeinen Schulpflicht. Insofern sind aus unserer Sicht auch angemessene Maßnahmen geeignet, diese gesetzliche Verpflichtung durchzusetzen.

AfD Sachsen: Derzeit besteht nach dem Schulgesetz die ausnahmslose Schulpflicht. Sofern und soweit Schüler dem Unterricht unentschuldigt fernbleiben, sind in letzter Konsequenz und i.S.d. geltenden Rechtslage Zwangsmaßnahmen erforderlich, um die Schulpflicht durchzusetzen.

FDP Sachsen: Grundsätzlich konkretisiert die Schulpflicht den Erziehungsauftrag, den Art. 7 Abs. 1 GG dem Staat erteilt. Gleichzeitig beschränkt sie das Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG in zulässiger Weise. Es ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass auch in anderen Bereichen das Elternrecht beschnitten wird, genau dann, wenn es um den Schutz der Grundrechte und Interessen des Kindes geht, die durchaus den Interessen der Eltern zuwiderlaufen können. So hat beispielsweise das LG Köln die religiös motivierte Beschneidung eines Jungen als strafbare Körperverletzung qualifiziert, obwohl das religiöse Erziehungsrecht der Eltern ebenfalls ein Grundrecht ist.
So heterogen die Gründe für das Ablehnen der Schulpflicht sein mögen, so sind sie dennoch in auffallender Häufigkeit religiös motiviert. Manche Eltern wollen ihre Kinder auch schützen vor einer als »böse« wahrgenommenen Welt.
Als FDP verstehen wir die Interessen der Eltern und respektieren verschiedene Ansichten. Dennoch setzen wir uns für die Umsetzung geltenden Rechts ein, die das Recht eines Kindes auf eine von Ideologien freie Entwicklung beinhaltet. Es ist Aufgabe des Staates, die Persönlichkeits- und Grundrechte von Kindern zu schützen, und dazu gehört auch das Recht auf Bildung. Durch eine Abschaffung der Schulpflicht sehen wir die Grundlage für die Entwicklung von Parallelgesellschaften gegeben.
Als FDP kämpfen wir für eine bessere Qualität des Unterrichts an Schulen. Zu einem guten Unterricht gehören nicht nur fachliches Wissen, sondern auch eine pädagogische und didaktische Qualifikation, die ein Lehrer im Rahmen eines Hochschulstudiums erwirbt. Bei der Unterrichtung durch Eltern, die diesen Beruf nicht haben, erkennen wir diese Qualifizierung nicht.
Schule ist nicht nur ein Ort der Wissensvermittlung, sondern auch ein enorm wichtiger Ort der Wertevermittlung und der sozialen Teilhabe.
Insofern sehen wir die Anwendung eines Verwaltungszwangs und die Verhängung von Bußgeldern als adäquate Mittel, um die Schulpflicht durchzusetzen. Strafrechtliche Sanktionen sehen wir als letztes einzusetzendes Mittel. Für uns stellt sich nicht die Frage einer Abschaffung der Schulpflicht, sondern die Frage, wie Schule besser werden kann, wie Schule ein Ort werden kann, an dem sich alle Kinder gemäß ihren Begabungen bilden, an dem sich Kinder frei und kreativ entwickeln können. Wir sind davon überzeugt, dass Schule dies leisten kann und muss.
Ausnahmen: Schulpflichtige Schüler, die aufgrund einer längerfristigen Erkrankung die Schule nicht besuchen können (dazu zählen auch psychische Erkrankungen), dürfen bereits jetzt laut Sächsischem Schulgesetz Unterricht zu Hause oder im Krankenhaus wahrnehmen (Sächsisches Schulgesetz §26 Abs. 4), insofern dies organisatorisch und personell abgedeckt werden kann.

SPD Sachsen: Die SPD Sachsen bekennt sich zur Schulpflicht. Neben den Jugendlichen selbst sind die Eltern in der Verantwortung für die Erziehung und Bildung ihrer Kinder, womit sie verpflichtet sind, auf die Erfüllung der Schulpflicht hinzuwirken. Bei der Novellierung des Sächsischen Schulgesetz war es uns wichtig, nicht das entsprechende Bußgeld zu erhöhen (wie das Kultusministerium vorschlug), sondern stattdessen eine gesetzliche Möglichkeit zu schaffen, dass die Schulpflicht in Ausnahmefällen durch alternative Beschulungen unter staatlicher Aufsicht erfüllt werden kann. In §26 SächsSchulG heißt es: »Die Schulaufsichtsbehörde kann Ausnahmen zulassen, insbesondere zur zeitweisen Alternativbeschulung im Rahmen jugendhilflicher Angebote auf der Basis eines Hilfeplans gemäß § 36 des Achten Buches Sozialgesetzbuch.«
Es ist uns wichtig, auf die Jugendhilfe zu setzen, weil es vor allem darum gehen muss, die Gründe zur Schulverweigerung junger Menschen zu erkunden. Prävention statt Sanktion ist die Maxime unseres Handelns. Präventiv kann bspw. die Schulsozialarbeiterin oder der Schulsozialarbeiter wirken, weshalb das Landesprogramm »Schulsozialarbeit« mit 30,5 Millionen Euro initiiert wurde. Zudem gilt es, die spezifischen Projekte zur Vermeidung von Schulabsentismus fortzusetzen.

B90/Grüne Sachsen: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen halten Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung der Schulpflicht nicht für zielführend und lehnen sie deshalb ab. Zwangsmaßnahmen dienen allein der Durchsetzung der Staatsgewalt, führen aber sicher nicht dazu, dass Kinder und Jugendliche (wieder) (gern) zur Schule gehen. Das gilt insbesondere für den Jugendarrest als mögliche letzte Maßnahme einer langen Sanktionskette.
Die Gründe für Schulverweigerung – aber auch für Schulflucht – sind vielfältig: ein grundsätzliches Unbehagen mit dem Schulsystem, familiäre Probleme, Mobbing. Ebenso vielfältig, wie die Gründe sind, kann und sollte darauf reagiert werden: Wir unterstützen (Schul-)Projekte bei Schulverweigerung und (drohendem) Schulabbruch, z.B. Produktionsschulen, ebenso wie Unterstützungsmaßnahmen für Schüler*innen und deren Familien durch Schulsozialarbeiter*innen oder Schulpsycholog*innen. Das beste Mittel gegen Schulflucht sind und bleiben gute Schulen, die nicht nur Lern-, sondern ganzheitlicher Lebensort sind.

Die Linke. Sachsen: Zur Antwort sei auf die bestehende Rechtslage verwiesen. Die Pflicht zum Besuch einer Schule ist nicht nur im Schulgesetz des Freistaates Sachsen verankert, sondern auch in der Landesverfassung. Dort heißt es in Artikel 102: »Es besteht allgemeine Schulpflicht.«
»Schulpflicht« bedeutet nicht nur, dass alle Kinder zu Schule gehen müssen. Es bedeutet auch, dass alle Kinder das Recht haben, eine Schule zu besuchen. Denn das gehört zu den Kinderrechten: Das Recht auf Bildung. So steht es in der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen. Darin sind alle Rechte aufgeschrieben, die Kinder in der ganzen Welt haben. Das Recht auf Bildung ist deshalb so wichtig, weil eine gute Allgemeinbildung eine gute Grundlage dafür ist, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
Eltern, die ihren Kindern den Schulbesuch verweigern, drohen Strafen. Das Bundesverfassungsgericht begründete dies 2014 mit dem Interesse der Allgemeinheit, religiös oder weltanschaulich motivierten Parallelgesellschaften entgegenzuwirken. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte urteilte schon 2006: Es gibt kein Recht auf Heimunterricht. Anfang des Jahres hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte seine Auffassung bekräftigt. Es hat über den Fall einer Familie geurteilt, die sich aus religiösen Gründen geweigert hatte, ihre vier Kinder in die Schule zu schicken, und sie zuhause unterrichtete.
Die Behörden holten die Kinder daraufhin 2013 aus der Familie und brachten sie für drei Wochen im Heim unter, um die Schulpflicht durchzusetzen. Die Eltern sehen dadurch ihr Menschenrecht auf Familienleben verletzt. Die Straßburger Richter hielten fest, dass mit dem teilweisen Sorgerechtsentzug in das Recht auf Familienleben eingegriffen worden sei. Die Gründe dafür seien aber »relevant und ausreichend« gewesen. Die deutschen Behörden hätten Grund zur Annahme gehabt, dass die Kinder in Gefahr schwebten, isoliert waren und keinen Kontakt zu Menschen außerhalb der Familie hatten.
DIE LINKE sieht derzeit weder eine politische Mehrheit im Parlament, Änderungen an der bestehenden Rechtslage vorzunehmen, noch wird sie diese vorantreiben.

In den meisten anderen europäischen Ländern sind Freilernen oder zumindest Homeschooling als Bildungsformen legal möglich. So kann z. B. in Österreich die Schulpflicht auch durch den »häuslichen Unterricht« erfüllt werden. In England sind die Eltern verpflichtet, für eine Bildung des Kindes zu sorgen, die seinem Alter, seinen Fähigkeiten, Fertigkeiten sowie jeglichen möglicherweise vorhandenen besonderen Bildungsbedürfnissen angemessen ist, entweder durch den regelmäßigen Besuch einer Schule oder auf andere Art und Weise. Wird in Ihrer Partei über Freilernen und Homeschooling diskutiert? Gibt es in Ihrer Partei oder im Umfeld Ihrer Partei Ansätze, um das Bildungssystem in Sachsen für Freilernen und Homeschooling zu öffnen? Wo haben Sie noch Bedenken?

CDU Sachsen: Homeschooling als Bildungsform bildet für uns nur im Rahmen des § 29 Sächsisches Schulgesetz eine Ausnahme. Im Rahmen unseres Programmprozesses zur Erstellung unseres Regierungsprogramms haben wir mit CDU-Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern über ihre Ideen im Bildungsbereich gesprochen. Dabei haben uns über 1.000 Ideen erreicht, 200 davon finden sich im Programmentwurf wieder. Bei all den Diskussionen wurde deutlich, dass wir als Sächsische Union keine Öffnung des sächsischen Schulsystems in diese Richtung anstreben.

AfD Sachsen: Die sächsische AfD-Fraktion hat sich bereits mit Vertretern der »Freilerner« getroffen. Wir konnten hier mehr über die Art und Weise des Lernens abseits der Schule erfahren sowie über die Motivation von Kindern und Eltern, das gesetzlich vorgeschriebene Schulsystem zu meiden. Insofern ist das Freilernen auch in der sächsischen AfD-Fraktion ein Thema, das diskutiert wird.
Das Freilernen bietet Chancen für einen sehr überschaubaren Teil von Schülern. Für den weitaus größeren Teil birgt sie aber sehr hohe Risiken in Bezug auf die Bildungschancen. Das Freilernen würde überdies zu einer weiteren Zersplitterung der Schullandschaft führen, was wiederum die Bildungsgerechtigkeit senken könnte. Nach derzeitigem Stand überwiegen insofern die Zweifel am Freilernen.

FDP Sachsen: Es gibt seit Jahren zum Thema breite und ergebnisoffene Diskussionen. Die Mehrheit entscheidet sich dennoch immer für die Schulpflicht, und zwar nicht als Selbstzweck einer Schulanwesenheit, sondern weil wir die vielfältigen Ansprüche an Bildung im Homeschooling nicht erfüllt sehen.
Bedenken haben wir besonders hinsichtlich des Rechts des Kindes, frei von Ideologien oder religiösen Überzeugungen im Elternhaus zu lernen. Die Auseinandersetzung mit Andersdenkenden ermöglicht erst eine freie und unabhängige Denkweise und psychosoziale Entwicklung. Wir teilen den Inklusionsgedanken, der eine pluralistische, offene und tolerante Gesellschaft fördert. Minderheiten sollen integriert werden.

SPD Sachsen: Das Thema »Freilernen und Homeschooling« wurde während der Novellierung des Schulgesetzes diskutiert. Die SPD Sachsen ist davon überzeugt, dass Schule unter staatlicher Verantwortung stehen soll, da nur so die Qualität gesichert werden kann. Hinzu kommt: Die Schule ist nicht nur ein Ort des Lernens, sondern auch ein Ort der Begegnung und Auseinandersetzung mit anderen Kindern und Jugendlichen. Der intensive Kontakt zu vielen unterschiedlichen Menschen ist für Kinder und Jugendliche ein wichtiger Bestandteil der Sozialisation – und lässt sich mit Homeschooling nicht erreichen. Auch deshalb ist uns die Schulpflicht wichtig. Mit den staatlichen und freien Schulen gibt es ein breites Angebot für unterschiedliche pädagogisch-methodische Ansätze, aus denen Eltern und Kinder wählen können. Und durch die Option der Alternativbeschulung wurde eine Öffnung für den individuellen Ausnahmefall ermöglicht, in dem die Schule tatsächlich nicht in Frage kommt.

B90/Grüne Sachsen: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen haben sich intensiv mit dem Thema Freilernen und Homeschooling befasst und im November 2017 ein Positionspapier verabschiedet. Im Rahmen der Schulgesetznovelle hat die GRÜNE-Landtagsfraktion einen Änderungsantrag eingebracht: Die Schulaufsichtsbehörde sollte Ausnahmen von der Schulpflicht zulassen können, wenn ein wichtiger Grund dies rechtfertigt und hinreichender Unterricht oder eine gleichwertige Förderung anderweitig gewährleistet ist. Der Antrag wurde von der Koalition abgelehnt.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen wollen, dass das Recht auf Bildung auf bestmögliche Weise eingelöst wird. Wir treten für eine schulische Lernkultur ein, die der Individualität eines jeden Kindes gerecht wird. Dabei wollen wir die Schulbesuchspflicht beibehalten, um einen herkunftsunabhängigen Zugang für alle Kinder zu sichern. Gleichzeitig dürfen Eltern, die die bestmögliche Bildung ihrer Kinder nur außerhalb der Schule gewährleistet sehen, nicht kriminalisiert werden. Wir setzen uns zum einen dafür ein, kurzfristig im Rahmen der Schulbesuchsordnung eine Ausnahmeregelung zu schaffen, die eine Unterrichtung außerhalb der Schule zulässt. Dafür sind ein Bildungskonzept und regelmäßige Leistungsnachweise unerlässlich. Zum anderen wollen wir prüfen, inwieweit langfristig die Schulpflicht – verstanden als Schulanwesenheitspflicht – in eine Bildungspflicht umgewandelt werden kann.
Schulische Bildung hat sowohl eine persönliche als auch eine gesellschaftliche Dimension: Kinder wollen lernen. Ihre Wissbegier, Kreativität und Freude am Lernen wach zu halten, ist eine wesentliche Aufgabe des Bildungssystems, die nicht immer erfüllt wird. Daran müssen wir arbeiten. Nicht zuletzt aber leistet eine gute Schule auch einen wesentlichen Beitrag zur Chancengerechtigkeit und zur Integration, denn einige Kinder haben schlechtere Startchancen als andere. Sie zu fördern und gute Bildung für alle zu ermöglichen, ist eine wesentliche staatliche Aufgabe. Eine »Lockerung« der Schulpflicht darf nicht zu Missbrauch und Segregation, etwa weltanschaulich oder religiös motiviert, führen. Außerdem darf Homeschooling oder Freilernen keine exklusive Angelegenheit ausschließlich für die Familien sein, die es sich leisten können.

Die Linke. Sachsen: DIE LINKE ist grundsätzlich offen für Debatten über gesellschaftlich relevante Themen. In der Partei wird im geringen Umfang über Freilernen und Homeschooling diskutiert. Zu dem Zweck haben in dieser Legislaturperiode im Landtag Gespräche mit Eltern stattgefunden. Diese haben bisher aber zu keinen parlamentarischen Aktivitäten geführt.

Bei demokratischen Schulen sowie bei freien aktive Schulen sind selbstbestimmtes Lernen, informelles Lernen und die Mitbestimmung der jungen Menschen ganz zentral. Haben Sie sich als Partei mit den Erfahrungen solcher Schulen befasst? Wie stehen Sie dazu? Halten Sie die Erfahrungen dieser Schulen auch auf Schulen in staatlicher Trägerschaft übertragbar?

CDU Sachsen: Schülerinnen und Schüler können sich im Rahmen der bereits bestehenden Mitbestimmungsrechte hinsichtlich Schulorganisation und Unterrichtsgestaltung bereits heute aktiv einbringen und über die Schülervertretungen sowie den Landesschülerrat erfolgreich und gleichberechtigt artikulieren. Wir nehmen die Hinweise und Vorschläge der sächsischen Schüler ernst. In diesem Umfang sehen wir gleichberechtigte Mitbestimmung umgesetzt.

AfD Sachsen: Aktive Schulen bieten eine von mehreren Wahlmöglichkeiten in der sächsischen Schullandschaft und tragen damit dazu bei, für jedes Kind den passenden Bildungsweg zu wählen.
Die Übertragung der Erfahrungen aktiver Schulen auf Schulen in öffentlicher Trägerschaft erscheint allerdings aufgrund völlig unterschiedlicher Konzeptionen als schwierig. Im Übrigen bilden gerade diese Unterschiede die Grundlage der Entscheidung für den einen oder anderen Schultypus.

FDP Sachsen: Als Freie Demokraten empfinden wir die Vielfalt unserer Sächsischen Bildungslandschaft, den Mix aus Schulen in freier und staatlicher Trägerschaft, als Bereicherung. Diese Vielfalt bildet die diversen Bedürfnisse von Eltern, insbesondere aber Schülern ab.
Gleichzeitig halten wir die Durchlässigkeit zwischen den Schulen als unabdingbar, sie muss zum Wohle der Lernenden gewährleistet werden. Nicht hinnehmbar ist es, wenn Lernende, aus welchen Gründen auch immer (Wohnortwechsel, Unzufriedenheit etc.), die Schule wechseln und dann etwa ein bis zwei Schuljahre wiederholen müssen, um das Bildungsniveau ihrer Mitschüler zu erreichen.
Wir unterstützen die Vielfalt pädagogischer Konzepte, fordern aber gleichermaßen das Einhalten verbindlicher Lernziele je Schuljahr ein.
Selbstbestimmtes und informelles Lernen setzen genügend Zeit voraus, weshalb wir als FDP das Konzept der Ganztagsschule befürworten und fördern wollen. Das Konzept der Ganztagsschule, das beispielsweise der Internationalen Schule Leipzig zugrunde liegt, ermöglicht Übergänge zwischen formellem und informellem Lernen. Lernorte zu wechseln, gehört für die Schüler hier zum Schulalltag (Schulgarten, Besuche in öffentlichen Einrichtungen wie Flughäfen, Museen, Bibliotheken, um nur wenige Beispiele zu nennen). Projektarbeiten, allein oder im Team, schaffen eine weitere Verbindung zwischen formellem und informellem Lernen. Für uns ist es diese Mischung, die zu besten Lernerfolgen führt. Konzepte zahlreicher anderer Schulen in Freier Trägerschaft sind uns bekannt, mitunter auch durch persönliche Erfahrungen.
Um die Erfahrungen dieser Schulen auf die staatlichen Schulen zu übertragen, bedarf es zusätzlicher finanzieller Mittel, für deren Bereitstellung wir uns unter der Bedingung regelmäßiger Evaluationen einsetzen.
Da informelles Lernen insbesondere über Mitgliedschaften in Vereinen oder über Kurse stattfindet (bewusstes und unbewusstes Lernen), beispielsweise in sozialen Gruppierungen, Kunst- und Musikschulen, Sportvereinen etc., setzen wir uns dafür ein, dass Räumlichkeiten von Schulen an Nachmittagen für eine solche Mehrfachnutzung zur Verfügung stehen.

SPD Sachsen: Die pädagogische Vielfalt, die insbesondere in den freien Schulen zum Tragen kommt, schätzen wir und sehen sie zugleich als Impuls für die öffentlichen Schulen. Unser Ziel bleibt die Etablierung einer schülerorientierten Schulkultur. Das heißt, dass sich das System Schule konsequent auf die Bedürfnisse der Schüler*innen ausrichtet. Mit dem novellierten Schulgesetz wird beispielsweise der jahrgangsübergreifende Unterricht gefördert, der meist mit Wochenplänen und einem selbstbestimmten gemeinsamen Lernen einhergeht. Und auch die Schülermitwirkung wurde durch die Schaffung eines Klassenrates gestärkt. All das sind Ansätze, die wir zukünftig im Sinne einer demokratischen Schulkultur und der Eigenverantwortung von Schule ausbauen möchten. Auf der Webseite unserer bildungspolitischen Sprecherin Sabine Friedel finden Sie hierzu zahlreiche weitere Ausführungen: www.sabine-friedel.de.

B90/Grüne Sachsen: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen setzen sich seit vielen Jahren für gute Schulen ein, unabhängig von der Trägerschaft. Vertreter*innen der GRÜNEN haben viele freie Schulen, auch freie Alternativschulen, besucht und sind mit Aktiven vor Ort ins Gespräch gekommen. Uns ist nicht entgangen, dass freie Schulen gerade bei der Selbst- und Mitbestimmung der Schüler*innen häufig Maßstäbe setzen. So wurde die Freie Schule Leipzig als eine der ersten mit dem »Preis für demokratische Schulentwicklung – DemokratieErleben« ausgezeichnet, den u.a. die GRÜN-nahe Heinrich-Böll-Stiftung verleiht.
Schulen in freier Trägerschaft sind ein Erfolgsmodell und fester, integraler Bestandteil des sächsischen Schulsystems. Dem Grundsatz der Gleichberechtigung zwischen Schulen in öffentlicher und freier Trägerschaft, wie er in der Verfassung verankert ist, wird in der Praxis aber nicht immer entsprochen. Während freie Schulen vor allem finanziell benachteiligt sind, werden staatliche Schulen durch zahlreiche Auflagen gegängelt – und mit ihnen die Lehrer*innen und Schüler*innen. Das beginnt bei detaillierten Lehrplänen und Stundentafeln und hört bei mangelnder Mitsprache bei Schulangelegenheiten nicht auf. Dabei könnten Schulen in öffentlicher Trägerschaft und Schulverwaltung viel stärker als bisher vom Know-How und von den Erfahrungswerten der Schulen in freier Trägerschaft profitieren. Das gilt insbesondere für Ansätze, die vergleichsweise einfach umzusetzen sind, vorausgesetzt, man meint es ernst mit der Eigenverantwortung der Schule und der Selbst- und Mitbestimmung der Schüler*innen: Klassenrat, jahrgangsübergreifende oder Stamm-Gruppen, Schulversammlung, Freiarbeit, Projektunterricht – die Liste ließe sich fortsetzen.

Die Linke. Sachsen: Am Anfang eine Klarstellung: DIE LINKE hält die Schulen in Sachsen, bei aller berechtigten Kritik, nicht für Einrichtungen, in denen es undemokratisch zugeht. Dagegen sprechen die Mitwirkungsrechte von Schülerinnen und Schülern sowie der Eltern.
Nach Auffassung der Partei DIE LINKE unterscheidet sich jedoch die Unterrichtsschule von der demokratischen Schule nicht allein der Organisationsform nach, sondern ihr liegt auch ein anderes Bildungsverständnis zugrunde. Das verdeutlicht u.a. ein entsprechender Antrag, den die Landtagsfraktion der LINKEN im Parlament zur Debatte gestellt hat: »Schule demokratisieren und politische Bildung stärken«, Landtags-Drucksache 6/889. In einer demokratischen Schule sollen Heranwachsende in einem verkleinerten, überschaubaren und institutionell geschützten Rahmen die Erfahrung des Bürgerhandelns machen können, das auf Selbstbestimmung, Verantwortungsübernahme und Verständigung beruht. Schülerinnen und Schüler lernen Unterschiede kennen und bejahen, und sie lernen Formen von unverschuldeter Benachteiligung wahrzunehmen und aufzuheben. Die demokratische Schule legt Wert auf das Erlernen einer moralischen Haltung, die zum streitbaren Dialog mit anderen befähigt. Die Aneignung von Sachwissen tritt dahinter zurück. Weniger um ein funktionales Wissen geht es in der demokratischen Schule als um die Fähigkeit zur kritischen Auseinandersetzung mit sich selbst, mit den anderen und mit dem gesellschaftlichen Umfeld. Kritische Aufnahmefähigkeit hat Vorrang vor dem Erwerb von Sachwissen, das sich ohnehin ständig verändert. Denn Bildung ist der »Vorgang, durch den man zum Subjekt seiner Handlungen wird«. (Hartmut von Hentig)
Als beispielhaft können die Leipziger Nachbarschaftsschule (NaSch) und das Chemnitzer Schulmodell gelten. Beide Schulen bestehen seit Anfang der neunziger Jahre und nehmen Kinder bereits in der Grundschule auf. Sie sind Gemeinschaftsschulen, die nach reformpädagogischen Grundsätzen arbeiten und ihren Ursprung in der Bürgerbewegung des Jahres 1989 haben. Die wissenschaftliche Begleitung bescheinigt beiden Schulen sehr gute Ergebnisse. Als LINKE unterstützen wir aktiv den laufenden Volksantrag »Gemeinschaftsschule in Sachsen – länger gemeinsam lernen«, der solche Schulen als zusätzliche Schulart auch in Sachsen möglich machen soll.

Wie zufrieden sind Sie mit dem Stand der Selbstbestimmungsrechte sowie der Beteiligungsmöglichkeiten junger Menschen in den Schulen in Sachsen? Streben Sie hier Veränderungen an und wenn ja, welche?

CDU Sachsen: Die Mitbestimmungsrechte und Beteiligungsmöglichkeiten in den sächsischen Schulen betrachten wir als ausreichend und umfassend gesichert. Änderungsbedarf sehen wir nicht. AfD Sachsen: Die Schüler werden in Sachsen altersgerecht an Prozessen beteiligt. Veränderungen nach einem »mehr« an Eingriffs- und Bestimmungsrechten sind nicht geboten.

FDP Sachsen: Uns als Freien Liberalen liegt in besonderem Maße am Herzen, dass sich Schüler und Schülerinnen zu selbstbewussten, eigenständigen, verantwortungsbewussten und demokratisch geprägten Persönlichkeiten entwickeln, weswegen wir die Beteiligungsmöglichkeiten junger Menschen an ihren Schulen vollumfänglich unterstützen.
Umfangreiche Möglichkeiten zur Mitwirkung von Schülern und Schülerinnen an ihren Schulen gibt es bereits, sie werden durch das Schulgesetzt festgesetzt und geschützt. Für eine Ausweitung dieser Möglichkeiten zeigt die FDP sich gesprächsoffen.

SPD Sachsen: Durch das geänderte Schulgesetz können Direktwahlen der Schülersprecherinnen stattfinden oder ein gemeinsamer Klassenrat eingerichtet werden, der die Klassensprecherin-Aufgaben kollektiv erfüllt. Über das Programm »W wie Werte« konnte an den ersten Schulen der Schüler-Haushalt vollzogen werden. Dies sind Ansätze, die weiter ausgebaut werden müssen, damit Schüler*innen aktiv ihren Schulalltag mitbestimmen. Die Eigenverantwortung von Schule gelingt nur im gemeinsamen Zusammenwirken von Schüler*innen, Eltern und Lehrer*innen. Das heißt: Wir sind zufrieden mit den inzwischen geschaffenen Möglichkeiten – aber natürlich noch nicht zufrieden mit ihrer Verbreitung an den Schulen. Daran werden wir weiter arbeiten.

B90/Grüne Sachsen: Die Selbst- und Mitbestimmungsrechte von Schüler*innen an Schulen in öffentlicher Trägerschaft sind deutlich ausbaufähig. Um das zu ändern, muss zum einen die Schule in organisatorischer, finanzieller und personeller Hinsicht unabhängiger werden, damit es vor Ort überhaupt etwas zu entscheiden gibt. Zum anderen müssen demokratische, partizipative Strukturen gestärkt werden, damit politische Bildung nicht zum »Als-ob-Lernen« verkommt. Im Rahmen der Schulgesetznovelle hat die GRÜNE-Landtagsfraktion u.a. eine Stärkung der Schulkonferenz gefordert.
Viele schulische Angelegenheiten könnten und sollten auch von der Schulgemeinschaft in eigener Verantwortung geklärt werden, ohne dass es rechtlicher Änderungen bedarf. Mehr Mitbestimmung sollte es aus unserer Sicht aber auch bei Personalentscheidungen und bei Lehr-/Lerninhalten geben. Die starren und detaillierten Lehrpläne der Schulen wollen wir durch kompetenzorientierte Kerncurricula ablösen, die sich an den bundesweiten Bildungsstandards orientieren. So entsteht pädagogischer Freiraum, um individuelle Interessen und Kompetenzen sowie sozialen Zusammenhalt zu fördern. Vom Landesschülerrat wurde teilweise der Wunsch geäußert, zeitweise zumindest in höheren Klassen von der Präsenzpflicht befreit zu werden und so mehr Zeit für das Selbststudium zu haben. Solchen Regelungen stehen wir offen gegenüber.

Die Linke. Sachsen: Als Antwort sei auf die Ausführungen zur Frage drei verwiesen und den dort angesprochenen Antrag der Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag zum Thema: »Schule demokratisieren und politische Bildung stärken«.

Zusatzfrage: Haben Sie Hinweise und Empfehlungen für Familien und Initiativen, die mit Ihrer Partei zu selbstbestimmter Bildung ins Gespräch kommen wollen?

CDU Sachsen: Grundsätzlich empfehlen wir zwei Wege: Familien und Initiativen finden in den entsprechenden Fachpolitikern unserer Landtagsfraktion kompetente Ansprechpartner. Zudem wird die Sächsische Union als Partei bei der Meinungsbildung und Entscheidungsfindung von sogenannten Landesfachausschüssen (LFA) beraten, die Entwicklungen in der Gesellschaft aufspüren und diese in die Diskussion einspeisen. Aus diesem Grund ist das der geeignete Ort, um auch über Fragen des »Freilernens« zu diskutieren. Wenden Sie sich hierfür gerne an lfa-bildung@cdu-sachsen.de

AfD Sachsen: Eine Kontaktaufnahme mit der AfD und einem Gespräch mit den in der AfD für Bildung verantwortlichen Personen ist jederzeit möglich und ausdrücklich gewünscht. Kontaktmöglichkeiten finden sich im Internet jeweils auf Fraktions- und Parteiebene, so dass schnell der passende Ansprechpartner gefunden werden kann.

FDP Sachsen: Familien und Initiativen können sich jederzeit mit dem Landesvorstand der FDP Sachsen in Verbindung setzen und ins Gespräch kommen.

SPD Sachsen: Ja, kontaktieren Sie uns einfach! Wir freuen uns über jeden Austausch.

B90/Grüne Sachsen: In den vergangenen Jahren sind BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Sachsen bereits mit Freilerner*innen ins Gespräch gekommen, sowohl seitens der GRÜNEN-Landtagsfraktion als auch über die GRÜNE Landesarbeitsgemeinschaft Bildung. Wir haben den Austausch als sehr bereichernd erlebt und stehen dafür weiterhin gern zur Verfügung.

Die Linke. Sachsen: Für Gespräche über Freilernen und Homeschooling stehen Mitglieder von DIE LINKE jederzeit zur Verfügung. Wie bereits erwähnt, haben erste Gespräche dazu mit Mitgliedern der Landtagsfraktion der LINKEN schon stattgefunden. Das Interesse, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen, besteht auf Seiten der Partei DIE LINKE, wie auch der Landtagsfraktion.


Weiterführende Verlinkungen zu den Fragen:


Die Wahlprüfsteine sind ursprünglich in Ausgabe Heft 84 – Schutz vor Isolation & Indoktrination erschienen.