Wahlprüfsteine zur Landtagswahl in Brandenburg

Anlässlich der Landtagswahl in Brandenburg am 1. September 2019 haben wir den größeren Parteien bildungspolitische Wahlprüfsteine geschickt. Aus Freilerner-Sicht ist in Brandenburg die Position der FDP Brandenburg dabei gerade besonders bemerkenswert, da sie in ihrem Wahlprogramm eine Bildungspflicht statt der Schulpflicht fordert.


Hinweis zu den Wahlprüfsteinen:
Die Antworten für die FDP stammen von Jacqueline Krüger, Generalsekretärin der FDP Brandenburg. Die Antworten für B90 / GRÜNE stammen von Petra Budke, der Landesvorsitzenden von BB90 / GRÜNE. Für die SPD Brandenburg antwortete Erik Stohn , der Generalsekretär der SPD Brandenburg. Die SPD hat die Fragen in einem Text beantwortet, der unten unter dem Interview zu finden ist.
Die AfD Brandenburg sowie BVB/FW haben unsere Anfrage nicht beantwortet.


Bei einer Familie in Potsdam, deren Kinder sich von zu Hause aus ohne Schule bilden, stehen über 4500 € an Bußgeldern und Zwangsgeldern aus. Eine Erzwingungshaft wurde beantragt. Gleichzeitig wird in der Öffentlichkeit auch im Zusammenhang mit Fridays for Futur über die Abwägung verschiedener Grundrechte mit der Schulpflicht diskutiert.
Wie steht Ihrer Partei zu Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung der Schulpflicht? Welchen Umgang mit schulverweigernden jungen Menschen hält Ihre Partei für sinnvoll?

CDU Brandenburg: Die CDU befürwortet grundsätzlich die Schulpflicht. Eltern und, mit wachsender Reife, Schülerinnen und Schüler sollen natürlich so viel Wahlfreiheit wie möglich haben. Darum begrüßen wir die Vielfalt an freien Schulen, die wir weiter fördern wollen. Zwangsmaßnahmen, um die Schulpflicht durchzusetzen, können immer nur das letzte Mittel sein.
Was »streikende« Schülerinnen und Schüler im Zusammenhang mit den Fridays-for-Future-Demonstrationen betrifft, gilt auch in diesen Fällen grundsätzlich die Schulpflicht. Wenn politisches Engagement mit der Schulpflicht in Konflikt gerät, kommt es allerdings darauf an, dass die Schulen mit Augenmaß reagieren. Sanktionen sind kein Selbstzweck und politisches Engagement ist ebenfalls ein Bildungsziel. Aus unserer Wahrnehmung nehmen viele streikende Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit von Sanktionen bewusst als Teil ihres Engagements in Kauf. Das Anliegen der Klimaaktivisten von »Fridays for Future« halten wir im Übrigen für berechtigt.

FDP Brandenburg: Die Freien Demokraten sehen die Schulpflicht kritisch und wollen diese durch eine Bildungspflicht ablösen, im Zuge dessen wären dann auch Homeschooling und weitere Bildungsmodelle denkbar. Als Rechtstaatspartei sehen wir aber die Notwendigkeit, geltende Rechtsnormen einzuhalten – dies gilt auch mit Blick auf die derzeit noch geltende Schulpflicht.

DIE LINKE Brandenburg: Die Ablehnung des staatlichen Schulsystems und der Einsatz für den weltweiten Umweltschutz, auch während der Schulzeit, sind zwei verschiedene Dinge, die nicht miteinander vermischt werden sollten. Wir sind für einen effektiven Umweltschutz, meinen aber auch, dass das System der Schulpflicht prinzipiell richtig ist. Im Einzelfall können immer auch Abweichungen angezeigt sein, zum Beispiel durch psychische Erkrankungen oder besondere Ausnahmesituationen.
Das Prinzip aber, dass alle bildungsfähigen Kinder eine Schule besuchen sollen, um sich Wissen und Fertigkeiten für ihr späteres Leben und ihren Berufsweg anzueignen, ist aus unserer Sicht richtig. Gute Bildung für alle ist eine große soziale Errungenschaft und ein zentrales Element des Sozialstaates. Wer heute keinen Schulabschluss vorweisen kann, der hat große Nachteile im persönlichen Leben, für den stehen die Chancen auf dem Arbeitsmarkt sehr schlecht, dessen sozialer Status wird immer wieder gefährdet.
Nicht immer sind Schulmüdigkeit oder Schulverweigerung auf mangelnde Fähigkeiten des Schülers zurückzuführen. Die Gründe können vielgestaltig sein. Sie sind unserer Kenntnis nach bundesweit nicht einmal statistisch erfasst. Wir LINKEN plädieren dafür, sozialen Gründe für schulverweigerndes Verhalten nachzugehen, um sie – wenn das möglich ist – zu beseitigen. Dies betrifft insbesondere familiäre Zwangslagen, denen abgeholfen werden muss. Krankheitsbedingte Ausfälle sollten kompensiert oder schnellstmöglich behoben werden. Da wir davon ausgehen, dass Eltern verantwortungsbewusst mit den ihnen anvertrauten Kindern umgehen, um sie vor Schaden zu bewahren, würden wir sie ermutigen, auch die Frage der Schulpflicht in diesem Sinne für sich zu beantworten und entsprechend erzieherisch auf ihre Kinder einzuwirken.
Da auch Entmutigung und Angst die Ursache für Schulverweigerung sein können, plädieren wir dafür, Lehrer entsprechend zu schulen und professionell zu unterstützen. Hierfür werden unter anderem die von uns vorgeschlagenen multiprofessionellen Teams in den Schulen zum Einsatz kommen, bei denen auch Psychologen mitwirken sollen. Buß- und Zwangsgelder aber lehnen wir ab.

B90/Grüne Brandenburg: Die »Fridays for Future« Bewegung nimmt den Verstoß gegen die Schulpflicht bewusst in Kauf, um die besondere Dringlichkeit ihres Anliegens zu unterstreichen. Wir finden es richtig, dass der Streik Konsequenzen hat und der versäumte Unterricht nachgeholt wird. Bußgelder halten wir nicht für sinnvoll. Stattdessen fordern wir die Schulen auf, pädagogisch sinnvolle Maßnahmen zu entwickeln, z.B. Projektarbeit, die auch mit dem Thema Klimaerhitzung zusammenhängt.
Eine Kriminalisierung von Familien, die ihre Kinder nicht zur Schule schicken, lehnen wir ab, ebenso wie Bußgelder oder Jugendarrest für schulverweigernde junge Menschen. Wir setzen uns für eine gut ausgestattete Kinder- und Jugendhilfe ein, die Familien auf Augenhöhe berät und mit ihnen gemeinsam nach Lösungen sucht. Das Projekt »Schule – Jugendhilfe 2020«, bei dem schulverweigernde junge Menschen durch freie Träger der Jugendhilfe betreut und unterrichtet werden, wollen wir fortsetzen und weiter verbessern. Denn kein Kind und kein junger Mensch darf verloren gehen.

In den meisten anderen europäischen Ländern sind Freilernen oder zumindest Homeschooling als Bildungsformen legal möglich. So kann z. B. in Österreich die Schulpflicht auch durch den »häuslichen Unterricht« erfüllt werden. Während in England die Eltern verpflichtet sind, für eine Bildung des Kindes zu sorgen, die seinem Alter, seinen Fähigkeiten, Fertigkeiten sowie jeglichen möglicherweise vorhandenen besonderen Bildungsbedürfnissen angemessen ist, entweder durch den regelmäßigen Besuch einer Schule oder auf andere Art und Weise.
Wird in Ihrer Partei über Freilernen und Homeschooling diskutiert? Gibt es in Ihrer Partei oder im Umfeld Ihrer Partei Ansätze, um das Bildungssystem in Brandenburg für Freilernen und Homeschooling zu öffnen? Wo haben Sie noch Bedenken?

CDU Brandenburg: Wir halten die Schulpflicht auch deshalb für sinnvoll, weil sie zum Zusammenhalt der Gesellschaft beiträgt. Kinder aus unterschiedlichen Lebenslagen lernen auf diese Weise gemeinsam. Die Schulpflicht lässt natürlich unterschiedliche Schulformen und auch »freie« Pädagogik zu. Homeschooling lehnen wir aber ab.

FDP Brandenburg: Wir bekennen uns in unserem Programm zur Einführung einer Bildungspflicht, damit Familien die größtmögliche Freiheit für die Bildung ihrer Kinder erhalten. Das bedeutet, dass die Kinder zweimal im Jahr ihrem Alter entsprechende Leistungsnachweise erbringen müssen. In welchem Rahmen ob in einer Schule, im Familienunterricht oder ob auf andere Weise das erforderliche Wissen vermittelt wird spielt hierbei keine Rolle und obliegt der Neigung des Kindes und der Entscheidung seiner Eltern. Bei Nichterbringung des Leistungsnachweises setzt mit Beginn des nächsten Schuljahres die Schulpflicht ein.

DIE LINKE Brandenburg: Traditionen im Bildungsbereich unterscheiden sich. Wir wollen anderen nicht vorschreiben, wie sie ihr Bildungssystem strukturieren und welche Standards sie setzen. In der Bundesrepublik gibt es eine sehr starke Tradition des schulischen Lernens. Hier werden regelmäßige Evaluationen durchgeführt, Verbesserungen initiiert und staatliche Mittel investiert. Im Bereich der Erziehungswissenschaften wird unter Homeschooling eine durchaus systematisch geplante Organisation von Unterricht und Erziehung für schulpflichtige Kinder und Jugendliche angesehen, bei der spezifisches Lehr- und Lernmaterial zum Einsatz kommt und das häusliche Umfeld den regulären Schulunterricht teilweise oder ganz ersetzt. Es bleibt durchaus fraglich, ob der häusliche Mitteleinsatz und die intellektuellen Kapazitäten mit denen der Schule mithalten können.
Hinzu kommt die Erziehung zur sozialen Kompetenz, die uns LINKEN sehr wichtig ist. Schulen sind doch so viel mehr als nur Orte, an denen Mathe, Bio oder Englisch gelehrt und gelernt werden soll. Hier werden soziale Kontakte geknüpft, Freundschaften geschlossen, Umgangsformen erlernt mit Menschen, die dem eigenen sozialen Umfeld und auch anderen Umfeldern angehören. Wir setzen uns dafür ein, diese sozial-integrative Funktion von Schule zu stärken. Das ist unser Ziel, die Wege können variieren, wenn sie sinnvoll sind. Doch würde sich diese sozial-integrative Funktion nicht verlieren, wenn man seine eigenen Kinder am Küchentisch unterrichtet und nur noch zum Klavierspielen mit Gleichaltrigen Kontakt haben lässt? Hinzu kommt, dass nicht jeder, der seine Kinder
»schulbesuchsfrei« lernen lässt, Homeschooling praktiziert. Es gibt auch die Bewegung der sogenannten Freilerner, die die Auffassung vertreten, eher die subjektiven Bedürfnisse und den natürlichen Lerndrang des Kindes zu befördern. In der Praxis sind auch Mischformen möglich.
Wie diese Formen im Einzelnen auch aussehen, wir LINKEN bleiben im Interesse der Kinder solange Vertreter des staatlichen Schulwesens, bis wir nicht von anderen, besseren Schulformen überzeugt wurden.
Gesundheitsbedingte oder besondere individuelle Regelungen auf Grund von Arbeits- und Lebenssituationen sollen davon unberührt bleiben.

B90/Grüne Brandenburg: Als Landesverband von Bündnis 90/Die Grünen Brandenburg haben wir zum »Freilernen« oder »Homeschooling« noch keine abgestimmte Position entwickelt.
Grundsätzlich geht es uns darum, jedem einzelnen Kind möglichst gute Bildungschancen zu ermöglichen. Das ist für uns eine zentrale Gerechtigkeitsfrage. Denn gute Bildung eröffnet die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben. Wir sehen Schulen als Lern- und Lebensorte, die Möglichkeiten eröffnen, Horizonte erweitern und Chancen für Integration und gesellschaftliche Teilhabe bieten. Alle Kinder können und wollen lernen. Dafür wollen wir möglichst gute Rahmenbedingungen schaffen, damit alle Beteiligten sich in der Schule wohl fühlen, sich entfalten und gute Arbeit leisten können.

Bei demokratischen Schulen sowie bei freien aktive Schulen sind selbstbestimmtes Lernen, informelles Lernen und die Mitbestimmung der jungen Menschen ganz zentral. Haben Sie sich als Partei mit den Erfahrungen solcher Schulen befasst?
Wie stehen Sie dazu? Halten Sie die Erfahrungen dieser Schulen auch auf Schulen in staatlicher Trägerschaft übertragbar?

CDU Brandenburg: Wir begrüßen, dass viele freie Schule innovative pädagogische Konzepte verfolgen. Auch staatliche Schulen müssen grundsätzlich offen sein für pädagogische Neuerungen. Verbindlich für freie wie staatliche Schulen sind allerdings die Bildungsstandards und Rahmenlehrpläne.

FDP Brandenburg: Lernen ist ein individueller Vorgang, dessen Erfolg letztendlich besonders auf die Motivation der Kinder wie auch des Wissensvermittelnden baut. Wir stehen allen Methoden offen gegenüber, die diese Motivation fördern und junge Menschen wie auch die Lehrkräfte selbst darin bestärken selbstbestimmt zu lernen und ihre Lern- wie Arbeitsumgebung mitzugestalten.

DIE LINKE Brandenburg: Freie Schulen sind Bestandteil der vielgestaltigen Bildungslandschaft in Brandenburg, zu der wir uns als LINKE ausdrücklich bekennen. Sie können über besondere pädagogische, weltanschauliche oder religiöse Profile verfügen. Bei den Schulen in freier Trägerschaft unterscheidet man zwischen Ersatzschulen, die staatliche Schulen einer bestimmten Schulform ersetzen, und sogenannten Ergänzungsschulen. Im Schuljahr 2018/2019 gab es in freier Trägerschaft insgesamt 32 berufliche Schulen, 9 Förderschulen und 135 allgemeinbildende Schulen, darunter 61 Grundschulen, 32 Oberschulen (inklusive Oberschulen mit Grundschulteil), 17 Gesamtschulen (inklusive Waldorfschulen) und 25 Gymnasien. Einige dieser Schulen warten mit innovativen Konzepten auf, die durchaus verallgemeinert werden können und sollten. Dazu zählen eine Umgebung, die ein selbstbestimmtes Leben und Lernen ermöglicht, die starke Partizipation der Kinder, eine demokratisch ausgerichtete Schulstruktur sowie die besondere Wertschätzung der ästhetischen Bildung und der Natur.

B90/Grüne Brandenburg: Schulen in freier Trägerschaft bereichern die Schullandschaft und liefern mit innovativen pädagogischen Konzepten oft wichtige Impulse für die Weiterentwicklung der staatlichen Schullandschaft. Daher setzen wir uns für ein faires, transparentes und verlässliches Finanzierungsmodell für die Schulen in freier Trägerschaft ein.
Gute Schule ist angstfrei, macht Spaß, bietet ausreichend Zeit bei Lernproblemen, gibt Unterstützung und ermöglicht individuelle Lernwege. Wir wollen moderne pädagogische Konzepte in die Schulen bringen und Schulen besser dazu befähigen, die besonderen Fähigkeiten aller Lernenden zu entwickeln. Für die Lehrkräfte wollen wir mehr und bessere Angebote, sich entsprechend fortzubilden. Wir unterstützen neue Unterrichtsformen wie projektbezogene Gruppenarbeit oder selbstbestimmtes und informelles Lernen. Die Kreativität und Mitbestimmung der Schüler*innen wollen wir besonders fördern.

Wie zufrieden sind Sie mit dem Stand der Selbstbestimmungsrechte sowie der Beteiligungsmöglichkeiten junger Menschen in den Schulen in Brandenburg? Streben Sie hier Veränderungen an und wenn ja, welche?

CDU Brandenburg: Junge Menschen haben in Brandenburg schon heute gute Beteiligungsmöglichkeiten an den Schulen. Die Schülervertretungen sind sehr aktiv, und das begrüßen wir. Grundsätzlich sind wir offen für mehr Beteiligungsmöglichkeiten, würden das aber vom konkreten Vorschlag abhängig machen.

FDP Brandenburg: Unser Leitbild ist das des selbstbestimmten und engagierten Menschen, der sein Leben verantwortungsvoll gestaltet und sich seiner Verantwortung auch im gesellschaftlichen Kontext stellt – das gilt selbstverständlich auch für Schülerinnen und Schüler. Über den Ausbau von Beteiligungsmöglichkeiten treten wir gerne in einen Dialog.

DIE LINKE Brandenburg: Die Stärkung der Selbstbestimmungsrechte und Beteiligungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen sind uns ein besonderes Anliegen. Konsequenterweise sollten diese Ziele auch an den Schulen stärker umgesetzt werden. Demokraten werden auch in Zukunft nicht vom Himmel fallen. Umso mehr kommt es darauf an, demokratische Praktiken frühzeitig zu erlernen und zu verinnerlichen. Kinder und Jugendliche möchten gefragt werden, in allen Belangen. Die praktischen Möglichkeiten hierfür sind durchaus verschieden.
Bisher leistet die Schule noch zu wenig, um die Entwicklung zur selbstbewussten demokratischen Persönlichkeit zu fördern. Die Fähigkeit und Bereitschaft zum demokratischen Handeln entsteht nicht durch bloßes Bücherwissen, wie es der Politikunterricht üblicherweise und zu Recht vermittelt. Denn es ist wichtig zu wissen, wie demokratische Institutionen funktionieren. Doch die Schülerinnen und Schüler müssen in der Schule auch demokratische Erfahrungen sammeln können, um sich die Haltungen und Praktiken eines aktiven Demokraten anzueignen. Es geht hier um eine Kombination von Haltung, Bewusstsein, Wissen und praktischen Fähigkeiten: Wie gestalte ich eine spannende Debatte mit kontroversen Meinungen? Wie lege ich ein Web-Blog an, der zum Mitdiskutieren einlädt? Wie organisiere ich eine gut besuchte Kundgebung? Wie gehe ich mit Fake und Hass in Online-Dialogen um? Woran erkenne ich Überwältigungsstrategien, egal ob es sich um islamistische Hassprediger oder rechtsextreme Propagandisten handelt? Eine Schule, die auf die politische Zukunft vorbereitet, muss sich dieser Dimension stellen. Lebensnahe politische Bildung muss derartige Fragen beantworten und vor allem Gelegenheit zum praktischen Lernen eröffnen.

B90/Grüne Brandenburg: Wir treten dafür ein, dass das selbstständige Lernen gestärkt wird und die Schülerinnen mehr Gestaltungsmöglichkeiten bei der Wahl der Unterrichtsinhalte und Methoden erhalten. Außerdem wollen wir die Mitwirkung von Schülerinnen an den Schulen unterstützen und weiter voranbringen sowie die Vertretungsorgane von Schüler*innen in ihren Rechten stärken, vor allem auf der Kreis- und Landesebene. Wir sind überzeugt: Gute Bildung lässt sich nicht »von oben« verordnen. Sie kann nur »von unten« wachsen. Wir setzen auf die Zusammenarbeit aller Beteiligten: Von Eltern, Schulen, Zivilgesellschaft, staatlicher Verwaltung und bis zur regionalen Wirtschaft.

Zusatzfrage: Haben Sie Hinweise und Empfehlungen für Familien und Initiativen, die mit Ihrer Partei zu selbstbestimmter Bildung ins Gespräch kommen wollen?

CDU Brandenburg: Allen Interessierten bieten wir gern das Gespräch an. Sie können sich gern an unsere Geschäftsstelle wenden: www.cdu-brandenburg.de/#contact

FDP Brandenburg: Wir stehen Ihnen jederzeit für einen konstruktiven Dialog zur Verfügung . Sie können sich dazu gerne an mich wenden. Desweiteren besteht die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit dem zuständigen Landesfachauschuss – hier hilft Ihnen die Landesgeschäftsstelle gerne weiter.

DIE LINKE Brandenburg: Gern laden wir Sie zu unseren bildungspolitischen Debatten ein, auf denen wir unsere Standpunkte austauschen können. Im Gegenzug bleiben wir interessiert, welche Innovationen und Impulse von Ihrer Seite ausgehen. »Schule« ist für uns ein lebendiger, dynamischer Prozess, der den sich ändernden sozialen Bedingungen und Herausforderungen anzupassen ist. Hierfür wollen wir mit Ihnen im Gespräch bleiben.

B90/Grüne Brandenburg: Sehr gerne kommen wir mit Familien und Initiativen zu selbstbestimmter Bildung ins Gespräch. Sie erreichen mich unter Petra.Budke@gruene-brandenburg.de.

Antwort der SPD Brandenburg

SPD Brandenburg: Herzlichen Dank für die Übersendung Ihrer Wahlprüfsteine zu den Landtagswahlen. Die SPD Brandenburg hat am 11. Mai 2019 ihr Regierungsprogramm für die Jahre 2019 bis 2024 beschlossen. Auf dieser Grundlage beantworten wir gern ihre Fragen.

Die Paragrafen 36 ff. des Brandenburgischen Schulgesetzes legen den gesetzlichen Rahmen zur Schulpflicht fest. Wir als SPD teilen die Auffassung ausdrücklich, dass die allgemeine Schulpflicht geeignet ist sicherzustellen, dass die schulische Erziehung und Bildung eines jeden jungen Menschen gewährleistet wird. Diese Pflicht umfasst den Besuch einer Grundschule sowie eines Bildungsgangs der Sekundarstufe I (hier gilt die Vollzeitschulpflicht) sowie die Berufsschulpflicht. Das natürliche Recht der Eltern zur Pflege und Erziehung ihrer Kinder gemäß Artikel 6 Absatz 2 Grundgesetz ist in dieser Frage gegenüber dem in Artikel 7 Absatz 1 Grundgesetz festgelegten staatlichen Erziehungsauftrag nachrangig. Zudem wird Schülerinnen und Schülern am Standort Schule nicht nur Wissen vermittelt. Vielmehr lernen sie hier darüber hinaus wichtige soziale Kompetenzen für ihren weiteren Lebensweg.

»Homeschooling« oder Hausunterricht ist allerdings im Land Brandenburg nicht gänzlich verboten. So können kranke Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter mit erheblichen psychischen oder physischen Beeinträchtigungen über einen längeren Zeitraum auch zu Hause oder in einer Klinik unterrichtet werden. Das begrüßen wir ausdrücklich, weil hierdurch verhindert werden kann, dass regelmäßig oder länger erkrankte Schülerinnen und Schüler den schulischen Anschluss verpassen und in der Folge keinen Schulabschluss erreichen.

Die Anwendung von Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung der Schulpflicht ist ausdrücklich als das letzte Mittel anzuwenden, wenn alle weiteren Versuche fehlgeschlagen sind. Demnach sind zunächst die Eltern der Kinder und Jugendlichen in der Pflicht, eine regelmäßige Teilnahme am Schulunterricht sicherzustellen. Auch die Lehrkräfte sowie die Schulleiterinnen und Schulleiter sind angehalten, auf die Pflicht zum regelmäßigen Schulbesuch hinzuweisen. Bei entsprechenden Schulpflichtverletzungen wird zunächst versucht, pädagogisch auf die Schülerinnen und Schüler einzuwirken, indem unter Beteiligung der Eltern eine persönliche Beratung stattfindet und auf die Folgen ihres Fernbleibens hingewiesen wird. Erst wenn diese Maßnahmen nicht zum Erfolg führen, darf unter bestimmten Voraussetzungen ein Zwangsgeld festgesetzt werden bzw. die sogenannte »Zuführung durch unmittelbaren Zwang« erfolgen (§ 41 Abs. 4 BrbSchulG).

Damit es soweit nicht kommt, verfolgen wir als SPD im Zusammenhang mit schulverweigerndem Verhalten einen präventiven Ansatz. Im Rahmen einer Förderrichtlinie »Projekte Schule/Jugendhilfe 2020« finanzieren wir landesweit 28 Projekte an Oberschulen und Gesamtschulen, die sich gezielt an verhaltensauffällige Schülerinnen und Schüler, Kinder oder Jugendliche mit schulverweigerndem Verhalten und an einzugliedernde, geflüchtete Schülerinnen und Schüler mit sozialpädagogischen Unterstützungsbedarf richten. Im Rahmen dieser Projekte werden spezielle schulische Lernangebote sowie eine intensive sozialpädagogische Begleitung angeboten. Darüber hinaus arbeiten die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter eng mit der Jugendhilfe zusammen. An 14 dieser Schulstandorte richtet sich das Angebot an Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 7 und 8. Ziel ist es, diese Schülerinnen und Schüler wieder in den Regelschulbetrieb zu integrieren. An weiteren 14 Schulstandorten richtet sich das Angebot an Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 9, bei denen ein verfestigtes schulverweigerndes Verhalten zu beobachten ist und die durch Regelangebote der Schule nicht mehr erreicht werden können. Hierbei geht es darum, die persönliche Entwicklung und soziale Kompetenzen für das Erreichen der Berufsbildungsreife zu stärken und zu fördern, damit diese Jugendlichen nicht gänzlich ohne Schulabschluss dastehen.

Schülerinnen und Schüler sollen am Standort Schule bereits Demokratie erfahren und ganz praktisch erlernen. Hierzu gibt es vielfältige Beteiligungsmöglichkeiten, um sich in der Schule zu engagieren und den Schulalltag mitzugestalten. Wir als SPD haben in den letzten Jahren bei unterschiedlichen Gelegenheiten die Mitbestimmung und Mitwirkung von Schülerinnen und Schülern in Schulangelegenheiten sowie die Arbeit schulischer und überschulischer Gremien gestärkt. Als einen wichtigen Bestandteil haben wir dabei die Direktwahl von Schülersprecherinnen und Schülersprechern in § 84 Abs. 4 BrbSchulG verankert, wodurch wir auch im schulischen Rahmen Kindern und Jugendlichen die Teilhabe an demokratischen Prozessen ermöglichen. Darüber hinaus haben die Schülerinnen und Schüler über schulische Mitwirkungsgremien wie die Kreisschülerräte sowie den Landesschülerrat Möglichkeiten, ihre Meinungen und Positionen zu artikulieren und in politische Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse einzubringen. In der kommenden Wahlperiode wollen wir uns dafür einsetzen, die Arbeit dieser Gremien weiter zu stärken und Verbesserungsmöglichkeiten bezüglich der Zusammensetzung und Arbeitsweise überschulischer Gremien im Dialog mit deren Vertreterinnen und Vertretern diskutieren.

Wir sehen derzeit keine Veranlassung, dass Bildungssystem im Land Brandenburg systematisch für Freilernen und »Homeschooling« zu öffnen.


Weiterführende Verlinkungen zu den Fragen:

Artikel der MAZ: Warum eine Potsdamer Familie die Schulpflicht verweigert

Eine Studie des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags zum Thema „Homeschooling in westlichen Industrienationen“ (PDF)

Der „Freilerner-Kompass“ bietet einen ausführlichen Einstieg ins Thema „Freilernen“ und beantwortet viele Fragen dazu

Der Bundesverband Freier Alternativschulen (BFAS) vernetzt demokratische und freie aktive Schulen


Die Wahlprüfsteine sind ursprünglich in Ausgabe Heft 84 – Schutz vor Isolation & Indoktrination erschienen.