Schutz vor Isolation und Indoktrination – warum dieses Thema so überaus wichtig ist!

Text: Stefanie Weisgerber , Ausgabe Nr. 84

Was für eine herbe Enttäuschung. Von Anfang an wurde deutlich, wie sehr das gewählte Heftthema für unsere vorliegende Ausgabe 84 doch polarisiert. Selbst hier in der Redaktion waren nicht alle dafür. Es wurden schwere Bedenken geäußert, dass Freilernen per se doch etwas sei, das gerade für die Freiheit und das Wohlergehen junger Menschen stehe. Dass Freilernen doch gerade konsequent Isolation und Indoktrination ausschließe. Dass es sich irgendwie falsch anfühle, gezielt solche Themen hervorzuwühlen, die dem explizit widersprechen, denn das sei ja gerade nicht Freilernen. Wir merkten es auch an den fehlenden proaktiven Einsendungen für diese Ausgabe. Sonst bekommen wir immer einige Artikel eingesendet von Menschen, die sich von selbst her berufen fühlen, etwas zum jeweiligen Schwerpunktthema zu schreiben. Dieses Mal komplette Fehlanzeige. Und auch von den Menschen, die wir aktiv anfragten, ob sie uns etwas für diese Ausgabe zusenden würden, brachen uns im Laufe der Zeit immer mehr weg, aus den unterschiedlichsten Gründen. Und das obwohl wir bereits Mitte Februar die Anfragen gestellt hatten, dreieinhalb Monate noch vor Redaktionsschluss und wir zunächst viele Textzusagen bekamen.

So klaffen nun am Ende große Lücken im Heft. Es fehlt der Artikel, der beschreiben sollte, wie es ist, sowohl Freilerner-Familien als auch fundamental-religiöse Homeschooler gleichermaßen anwaltlich zu vertreten. Wie es aus Sicht des Jugendamtes ist, auf der einen Seite intakte, aufs Wohl der Kinder bedachte Freilerner zu sehen und auf der anderen Seite doch auch so viele abgehängte, verwahrloste Jugendliche aus schlimmen Verhältnissen, die die Schule verweigern. Es fehlt der wichtige Bericht einer Freilerner-Aktivistin, die in ihrer Beratungstätigkeit immer wieder auch mit problematischen Familien konfrontiert ist und dabei versucht, einen guten Umgang zu finden mit der heftigen Verschrobenheit der Eltern und dem dennoch legitimen Wunsch ihrer Kinder, nicht zur Schule gehen zu wollen. Und. Und. Und.

Selbst den Artikeln, die uns dann am Ende doch erreichten, merkt man an vielen Stellen an, dass sie nur an der Oberfläche des Themas kratzen. Explizite Einlassungen auf problematische Strömungen in der Freilerner-Szene, und wie man damit umgehen kann oder sollte, finden sich kaum.

Ja, es ist kein Wohlfühlthema, das wir diesmal hier behandeln.

Und man kann es sicherlich auch verstehen. Das Thema Freilernern ist im Kern ja bereits äußerst vulnerabel und öffentlich harscher Kritik ausgesetzt. Auch ohne dass man die Abgründe beleuchtet, die da drum herum klaffen. Die Freilerner-Szene strotzt nun einmal nicht vor Selbstbewusstsein. Nur zu verständlich ist es da, dass Familien, die bereits seit vielen Jahren darum bemüht sind, in der Presse ein differenziertes und positives Bild zu liefern, nicht allzu offensiv damit rausrücken wollen, wie viele problematische Auswüchse es in der Freilerner-Szene gibt und dass viele gesellschaftliche Ängste rund um des Thema tatsächlich auch berechtigt sind.

In Diskussionen dazu schwingt oft mit, dass man befürchtet, dass das ganze Thema dann erst recht vollkommen zerrissen werde und die erste zarte Akzeptanz, die in den Medien seit einiger Zeit dazu aufkeimt, auf einen Schlag wieder vernichtet werde, wenn die kritischen Aspekte zu deutlich ausgesprochen werden. Gegenargumente, die besagen, dass die problematischen Auswüchse auch so kaum noch zu verhehlen sind; dass sie einen bei Facebook, Youtube und co bereits förmlich anspringen und dass es schon an ein Wunder grenze, dass dies in den Medien bisher noch nicht in erheblichem Maße ausgeschlachtet wurde, werden dann oft nur zähneknirschend und mit ratlosem Schulterzucken bedacht.

Diese Erfahrung haben Immanuel und ich auch machen müssen, als wir gemeinsam mit zwei weiteren Initiatioren die Erklärung zur Selbstbestimmung in der Bildung zur Abstimmung an andere Vereine, Verbände und Initiativen geschickt haben, um sie bereits vorab an einer Ausgestaltung des Erklärungstextes zu beteiligen und sie idealerweise zu gewinnen, die Erklärung gleich von Anfang an mit zu unterzeichnen. Die Diskussionen, gerade was den Abgrenzungsteil der Erklärung betraf, wurden zum Teil extrem erbittert geführt. Manche der verdienten Aktivisten, die wir in dem Zuge ansprachen, bangten sogar davor, dass wir am Ende vielleicht sogar Erfolg mit unseren Forderungen haben könnten. Fürchteten sich vor einer möglichen Legalisierung des Themas und den damit zwangsläufig einhergehenden Regulierungen. Jetzt, da es ohnehin illegal ist, kann man es mit der Ausgestaltung des Freilernens natürlich momentan auch völlig frei so halten, wie man selbst es am besten findet, solange man still geduldet wird, unterm Radar taucht oder sich im Ausland ohne nennenswerte Kontrollen aufhält. Was aber, wenn dann erst von staatlicher Seite offiziell mit drauf geschaut wird? Laufen dann nicht viele Freilerner-Familien, bei denen es heute schon ganz gut läuft, Gefahr, dass sich ihre Situation – auch für ihre jungen Menschen – nennenswert verschlechtert?

Ja, das alles ist nicht von der Hand zu weisen und dennoch sprechen für mich drei harte Gründe dafür, warum es meiner Meinung nach überaus wichtig ist, dass wir als Freilerner-Bewegung diese Themen proaktiv behandeln müssen. Der erste Grund ist die reine Ausweglosigkeit. Der zweite ein tiefer Wunsch nach gesellschaftlicher Akzeptanz, den viele von uns hegen. Der dritte, wichtigste Grund ist moralischer Natur.

Betrachten wir zunächst den erst genannten Punkt: So langsam kommen sie nämlich, die ersten Medienberichte, die die schwierigen Auswüchse der Freilerner-Szene beleuchten. Vor einigen Wochen erst zeigte der Rundfunk Berlin Brandenburg (rbb) eine Reportage über die auch in Deutschland wachsende Anastasia-Bewegung, die mit einer unverhohlen fremdenfeindlichen und antisemitischen Grundhaltung einhergeht. Wo Abschottung zur Lebensmaxime wird, Weltoffenheit und Multikulti verurteilt, Rückwärtsgewandtheit zum Ideal stilisiert und Kinder von der modernen Welt streng wegisoliert leben sollen und teilweise sogar militärischem Drill unterzogen werden. Wo beste Kontakte zur Identitären Bewegung und zu anderen rechtsextremistischen Strömungen gepflegt werden. Der rbb spricht klar davon, »dass es auch eine gewisse Schnittmenge zur ›Schulverweigerer-Szene‹ gibt. Dass man dort Kniffe kenne, wie man es schaffe, unter dem Radar der Behörden durchzukommen. Sei es, dass man sich im Ausland meldet oder ein paar wilde Wohnortwechsel macht.« Dass die Freilerner-Szene in Richtung der Anastasia-Siedler und den Büchern, die dem zu Grunde liegen, tatsächlich eine beachtliche Schlagseite aufzuweisen hat, kann man regelmäßig alle paar Wochen in den großen öffentlichen Freilerner-Facebook-Gruppen verfolgen, wo das Thema immer wieder auf und ab diskutiert und teilweise mit phänomenal-naiver, rosa-roter Brille verherrlicht und idealisiert wird.

In Österreich häuften sich im vergangenen Jahr harsche Berichte über die dortige Freilerner-Szene und deren Auswüchse in die Szene der Reichsbürger und Freemen. Offen kritisiert wurde in diesen Berichten auch die dortige moderate Freilerner-Szene, da sie sich inhaltlich nicht ausreichend von den problematischen Auswüchsen distanziere. Selbst auf explizites Nachfragen von Journalisten nicht.

Im vergangenen Sommer wartete auch SWR2 mit einer dreiteiligen Reportage auf, welche die deutsche Freilerner-Szene beleuchtete und dabei sogar so überzogen war, dass man als Außenstehender nahezu zwangsläufig den Eindruck bekommen musste, dass sie zu fast 100% aus weltfremden Esoterik-Hippies, militanten Veganern, Nazis, Reichsbürgern und Fundamental-Christen besteht. Schon längst werden Freilerner mit all diesen Gruppierungen in einen Topf geworfen.

Wer einmal nach Freilernen googelt und sich durch die Suchergebnisse klickt, wird sehr schnell feststellen, welche Abgründe sich da auftun. Wird schnell eine Dagmar Neubronner finden, die unverhohlen mit Staatsleugnern zusammenarbeitet und abstrusesten Vorschwörungstheorien ein Forum bietet. Oder wird Menschen finden, die der Neuen germanischen Medizin anhängen. Die Krebs und Aids leugnen. Wird schnell auf antifeministische Russlandfreunde treffen. Wird Menschen finden, die durch und durch antidemokratisch gesinnt sind.

Ja. Das alles hat nichts mit Freilernen zu tun, wo es im Kern einzig und allein darum geht, dass ein junger Mensch selbst über seine Bildungsbelange entscheidet. Im Gegenteil. In all diesen problematischen Bereichen werden Kinder sogar in ganz besonderem Maße davon abgehalten, sich frei und selbstbestimmt zu entwickeln. Und doch muss man dabei bedenken, dass der Begriff Freilerner zunehmend verwässert. Er wird immer stärker auch von diesen problematischen Gruppen selbst benutzt, weil sie schlicht gemerkt haben, dass Freilerner in der öffentlichen Wahrnehmung bislang wohlwollender wahrgenommen werden als Homeschooler. Es wird vermutlich nicht lange dauern, bis dieser Begriff seine bisher so differenzierte Bedeutung vollkommen verliert. Und es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis es kritische Medienberichte nur so hagelt. Bisher hatten wir einfach viel Glück, dass sich die meisten Medienvertreter in ihren Recherchen vor allem an seriöse Szenevertreter wie die Freilerner-Solidargemeinschaft gewendet haben und so gleich ein anderes Bild vermittelt bekamen. Jetzt aber, wo es schon erste kritische Berichte gab, werden weitere folgen und die werden sicherlich weniger glimpflich für uns ausgehen. Es ist folglich unausweichlich, dass wir uns bald schon sehr häufig in Bezug auf solche Themen rechtfertigen müssen und wir werden dabei eine bessere Figur machen, wenn wir von vornherein dafür gewappnet sind und auch vorweisen können, dass wir bereits proaktiv diese Themen benennen und bekämpfen. Wenn wir eine differenzierte Debatte wollen, müssen wir das entschieden aktiv mitsteuern.

Ich nannte oben einen weiteren Grund, warum es wichtig ist, sich mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Dieser zweite Grund lautet gesellschaftliche Akzeptanz: Ich möchte ganz ehrlich sagen, dass ich mich persönlich in vielen Belangen dem „ganz normalen“ 0815-Mainstream sehr viel näher fühle, als so manchem Freilerner. Es fällt mir zunehmend schwer zu ertragen, mich allzu oft mit Menschen zu umgeben, die Impfungen kategorisch und ganz grundsätzlich ablehnen. Den Medienkonsum ihrer Kinder auf 10 Minuten am Tag beschränken. Die nicht wählen gehen, „weil Demokratie ja auch eine Form von Herrschaft ist“ und die Schule für ihre Kinder vor allem deshalb ablehnen, „weil diese ja ach so schädlich ist, die Gleichaltrigenorientierung fördere und die Kinder dort zu kapitalismusgeilen Marionetten der Wirtschaft gemacht werden sollen.“

Die trotzdem ständig darüber lamentieren, dass sie nicht genug Geld in der Tasche haben, um ihren Kindern adäquat deren Wünsche zu erfüllen und die insgeheim auch darüber klagen, dass ihre Kinder zu wenig Kontakte zu Gleichaltrigen haben. Nein. Diesen Menschen fühle ich mich meist nicht besonders verbunden. Da fühle ich mich oft meinen alten Schulfreundinnen näher, die ihre Kinder – nicht ohne schlechtes Gewissen – mit eins zur Tagesmutter gaben und mit zwei oder drei möglichst behutsam in den Kindergarten eingewöhnten und sich seither an den Nachmittagen und Wochenenden und den Ferien mit ganz viel Leib, Seele, Liebe und Herzblut eine gute Zeit mit ihren Kindern machen und diesen dabei jeden Wunsch von den Lippen ablesen. Und die diese nun auch liebevoll durch die Schule begleiten. Und die auch nicht, wie ich gerade, am ersten schönen Sommerabend mal wieder alleine vorm Rechner sitzen, um Aktivismus zu betreiben, während Mann und Kinder alleine unterwegs sind, sondern jetzt mit ihren Kindern und Freunden im Garten grillen. How I wish I were there.

Ja, es ist mir sehr wichtig, von solchen Menschen akzeptiert zu werden. Und ich tausche mich viel mit ihnen darüber aus, was sie brauchen, um mich akzeptieren zu können. Meinen etwas idealistischen Begriff von Freiheit, insbesondere was kindliche Freiheit betrifft. Mein sehr progressives Weltbild. Und was ich regelmäßig rückgemeldet bekomme, ist, dass sie uns ganz hervorragend so akzeptieren können, wie wir sind. Mir und meinen Kindern würden sie die Schulpflicht sofort erlassen. Das Problem seien ja nicht wir, sondern die ganzen problematischen. Die religiösen Fundis, die Nazis, die Harz-4-Assis…

Es vergeht keine Debatte unter irgendeinem Freilerner-Artikel in einem Online-Portal der großen Zeitungsverlage oder in den dazugehörigen Facebook-Gruppen, ohne dass sich mindestens jeder dritte Kommentator äußert, dass das bei vernünftigen, gebildeten Familien sicher gut funktioniere, aber was ist denn mit den ganzen…

Und ja: Diese Vorbehalte sind berechtigt; nicht von der Hand zu weisen. Solange wir darauf keine guten Antworten haben, werden auch wir und unsere Kinder weiterhin in die Röhre gucken. Daran wird sich momentan noch kein Politiker die Finger verbrennen wollen. Und auch die Gesellschaft will sich momentan kein derartiges Ei ins Nest legen. Um hier gute Antworten zu finden, müssen wir diese Themen selbst auch diskutieren und dabei herauskristallisieren, was für uns grundsätzlich in Ordnung geht im Umgang mit Kindern und was nicht. Erst wenn wir alles das klar benennen können, was für uns nicht in Ordnung geht, können wir auch Maßnahmen ersinnen, wie wir gezielt diesen Dingen vorbeugen können. Und erst dann werden wir die Grundlage für eine Legalisierung geschaffen haben. Sich von problematischen Auswüchsen zu distanzieren und diese klar zu benennen, hilft uns überhaupt erst dabei, als akzeptierter Teil der Gesamtgesellschaft wahrgenommen zu werden und im Weiteren Schritte überlegen zu können, wie man auch Kindern helfen kann, die weniger Glück mit ihrem Elternhaus haben. Dies darf man auch ruhig in Hinblick auf Kinder aus Mainstream-Familien verstehen, denen es so viel leichter gemacht wäre, bei ihren Eltern Gehör in ihren Bildungsbelangen zu finden, weil das ganze Thema viel weniger pfui daher käme.

Und damit sind wir gleich beim dritten und wichtigsten Grund gelandet, den ich oben aufzähle. Der moralische Grund sich mit randseitigen Strömungen der Szene zu beschäftigen. Ich denke, dass viele sich gar keine Vorstellung davon machen, wie schlecht es manchen Kindern in der Schulfrei-Szene tatsächlich geht. Da gibt es nicht wenige Kinder, die ungeheuer wenige Freiheiten genießen. Die fast nie andere Kinder zu Gesicht bekommen oder nur von den Eltern streng vorselektierte. Die zu vollkommen weltfremden Erwachsenen heranwachsen. Kinder, die in hohem Maße dem elterlich ausgeprägten autoritären Paternalismus ausgeliefert sind. Wie oft habe ich schon Geschichten mitbekommen von verzweifelten alleinerziehenden Müttern, die sich so in ihren Wahn verrannt hatten, dass sie mit ihren Kindern am Ende in irgendwelchen zusammengefallenen Bruchbuden irgendwo in völliger Fremde hausten, bis ihre zunächst noch wohlgesonnenen Gastgeber letztlich persönlich die Jugendvorsorge alarmierten, weil das, was sie mitbekamen, schlicht die reinste Kindeswohlgefährdung darstellte. Ein derartiges Szenario ist mir tatsächlich bereits in mehreren Fällen bekannt. Das ist kein Einzelfall.

Erst gestern musste ich Strafanzeige gegen einen jungen Mann stellen, der mir seit über einem Jahr regelmäßig obszöne Hassnachrichten zuschickte, die sich konstant gegen Worldschooler-Familien richteten, denen er bestialische Tode wünschte, weil sie nach einer Zeit der Reiseisolation (ja, auch das kann Isolation sein) ihre Kinder doch noch mal in Schulen schickten, weil diese sich einfach regelmäßigere Kontakte zu anderen Kindern wünschten. Der gestörte junge Mann hatte einen solch kranken Hass auf die Schule entwickelt, dass er nicht mehr in der Lage war, zu differenzieren, wann ein Kind aus freien Stücken selbst entscheidet, zur Schule gehen zu wollen. In seiner letzten Mail gestern übertrat er eine wichtige Grenze, indem er den Tod seiner Feindbilder nicht nur herbeisehnte sondern explizit androhte. Das veranlasste mich, das Ganze nicht länger zu ignorieren, sondern zur Anzeige zu bringen. Ich hoffe inständig, dass dieser junge Mann selbst niemals Kinder haben wird. Falls doch, kann ich nur hoffen, dass wir bis dahin eine vernünftige Lösung erarbeitet haben werden, um auch solchen Kindern maximal möglichen Schutz zukommen zu lassen. Es ist einfach nicht von der Hand zu weisen: Das Thema zieht wirklich auch viele schräge, gescheiterte, marginalsierte und sogar gestörte Menschen an.

Es wird in Freilerner-Kreisen immer mal wieder lapidar geäußert, dass die meisten Eltern ja gut zu ihren Kindern seien und wir ja letztlich alle das selbe Ziel verfolgen würden. Dem möchte ich heftig widersprechen. Es gibt so viele Horror-Elternhäuser, dass uns allen nur schlecht davon werden kann und viele davon können sich aus den unterschiedlichsten Gründen für schulfreies Leben begeistern. Na klar, auch in vielen schrägen Familien geht es den meisten jungen Menschen auf lange Sicht wohl gut und sie können sich zu gesunden Erwachsenen entwickeln. Mal mit mehr, mal mit weniger großen Startschwierigkeiten in die spätere Selbstständigkeit. Mir missfällt auch der Gedanke, alle Freilerner-Eltern unter einen Generalverdacht zu stellen. Ja, ein enormer Prozentsatz hat wohl tatsächlich vor allem die Freiheit der Kinder im Sinn und handelt meist zu deren Wohl. Und dennoch finde ich es total wichtig, dass wir uns die Abgründe bewusst machen, dass wir diese anmahnen, wann immer wir ihnen begegnen und wir uns auch gezielt für eine gut geregelte Legalisierung schulfreien Lebens einsetzen, die nach meinem Empfinden auch ganz unbedingt mit wohlwollenden Kontrollen einhergehen muss. Denn nur so können wir Familien helfen, deren Kinder heute schon nicht zur Schule gehen wollen, die aber keine Möglichkeit finden, weil die äußeren Umstände sie daran hindern oder ihnen schlicht der ausgeprägte Voluntarismus fehlt, der vielen der bereits heutigen Freilerner-Familien zu eigen ist. Denn ja: Auch der ausnahmslose Schulanwesenheitszwang in Deutschland ist letztlich eine fatale Ideologie und stellt für viele junge Menschen eine unfreiwillige Isolierung aus dem „echten“ Leben dar. Auch darüber hätte man übrigens einen hübschen Artikel für dieses Heft schreiben können. Schade, dass niemand einen solchen eingereicht hat.

Vor allem finde ich aber wichtig, dass wir mit einer geregelten Legalisierung auch viele junge Menschen schützen können, die heute schon durch die explizite Kriminalisierung schulfreien Lebens gerade erst in die Isolation gedrängt werden. Niemand soll sich länger verstecken müssen oder unfreiwillig ins Ausland gehen, weil seine bevorzugte Lebensgestaltung nicht ins aktuelle Gesellschaftsbild passt. Lasst uns endlich mit vereinten Kräften dafür streiten, schulfreie Lebensentwürfe gesellschaftsfähig zu machen und damit eine gesetzliche Öffnung zu erwirken. Schluss mit dem anrüchigen Nischendasein. Verzeiht mir bitte den Agitprop, aber ich kann gerade nicht anders: Vorwärts, Freilerner-Bewegung!

Dieser Artikel ist 2019 in Heft 84 – Schutz vor Isolation & Indoktrination erschienen